Künstliche Intelligenz: Überwachungskamera jagt Handy-Sünder im Auto

Mit smarten Kameras wollen Polizeibehörden in Australien die unerlaubte Nutzung von Mobilgeräten am Steuer eindämmen.

Jochen Siegle
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Die Polizei in Australien setzt auf Kamerasysteme mit künstlicher Intelligenz (KI) zur Überwachung des Strassenverkehrs. Die Systeme sollen auch die Benutzung von Mobilgeräten am Steuer erkennen können. Die Behörden versprechen sich vom Einsatz der neuen Technologie, dass sie auf diese Weise Kontrollen effektiv durchführen und die Zahl der Verkehrstoten um ein Drittel senken können.

Die automatisierten Handy-Kontrollen werden derzeit im australischen Gliedstaat New South Wales durchgeführt. Das Programm ist auf vier bis fünf Jahre angelegt und folgt auf eine sechsmonatige Testphase, welche die Polizei gemäss eigenen Angaben mit mobilen sowie stationären KI-Kameras bis Juni dieses Jahres erfolgreich durchgeführt hat.

Verkehrskontrolle mit KI-Kameras

Die künstliche Intelligenz der Überwachungskamera wurde darauf trainiert zu erkennen, ob ein Lenker während der Fahrt ein Mobilgerät nutzt. Die Technologie habe sich als sehr zuverlässig im Praxiseinsatz erwiesen, so die Verkehrsbehörde. Erfasst worden seien allein in der Pilotphase 100 000 Fahrer, die ihre Finger am Mobiltelefon hatten. In Australien sind wie in der Schweiz und in vielen anderen Ländern Handy-Telefonate im Auto nur über eine Freisprechanlage erlaubt. Auch die Nutzung anderer Funktionen des Mobiltelefons ist verboten, während ein Fahrzeug gelenkt wird.

Erkennen die installierten Kameras einen Handy-Sünder, schiessen sie ein Foto, auf dem nebst dem Fahrer auch das Kfz-Kennzeichen erfasst wird. Die Aufnahmen werden dann von Mitarbeitern der australischen Polizei überprüft. Die Behörde will auf diese Weise jährlich 135 Millionen Fahrzeuge kontrollieren.

Ziel: 30 Prozent weniger Verkehrstote

Nach einer Schonfrist, in der Handy-Sünder noch mit einer Verwarnung davonkommen, werden ab März 2020 Geldstrafen in der Höhe von bis zu 457 australischen Dollar verhängt, zudem werden fünf Strafpunkte im Verkehrsregister eingetragen. Der Einsatz der smarten Blitzer soll dazu beitragen, tödliche Unfälle im Strassenverkehr innerhalb von zwei Jahren um 30 Prozent zu verringern. Bis 2056 soll nach den Plänen der australischen Regierung kein Mensch mehr infolge eines Verkehrsunfalls ums Leben kommen. Das Kamerasystem soll bei jeder Witterung und auch nachts verwertbare Aufnahmen liefern können.

Auch die Verkehrsbehörde in den Niederlanden setzt seit Oktober künstlich intelligente Kamerasysteme zur automatischen Erkennung von unerlaubter Handy-Nutzung am Lenkrad ein. Die Kameras werden unter anderem bereits von Polizeibeamten der nationalen Einheit verwendet. Auch hier werden Bilder, bei denen das Kamerasystem einen Verstoss erkennt, von Polizeibeamten ausgewertet. Liegt die automatische Erkennung richtig, droht dem Autofahrer eine Geldbusse von 240 Euro.

Durch den Einsatz der neuen Smart-Kamera-Technologie soll die gefährliche Ablenkung im Strassenverkehr konsequenter bekämpft und geahndet werden. Dies habe höchste Priorität, da noch immer zu viele Menschen im Verkehr insbesondere durch abgelenkte Fahrzeugführer getötet und verletzt würden, so die niederländische Polizei.

Risikofaktor Ablenkung

Die Ablenkung aufgrund der Nutzung von Navigationsgeräten oder Smartphones gilt als grosse Gefahr. Experten gehen davon aus, dass ein Drittel aller Unfälle darauf zurückgehen, dass Fahrer unaufmerksam sind. Es könnten jedoch auch deutlich mehr sein, da eine hohe Dunkelziffer angenommen wird, wie aus Untersuchungen der Technischen Universität Braunschweig hervorgeht. Auch die Schweizer Statistik der Administrativmassnahmen (ADMAS) zeigt, dass bei Führerausweisentzügen nach Unfällen Unaufmerksamkeit mit Abstand die häufigste Ursache war – vor Trunkenheit oder Raserei.

In den Niederlanden wurden noch ohne Einsatz der künstlich intelligenten Blitzer im vergangenen Jahr mehr als 80 000 Bussen wegen unerlaubter Handy-Nutzung während der Fahrt verhängt. In der Schweiz wird das Verwenden eines Telefons ohne Freisprecheinrichtung während der Fahrt mit 100 Franken gebüsst. Auch das Bedienen eines anderen Kommunikations- oder Informationssystems ist verboten und kann nicht nur zu einer hohen Geldstrafe, sondern auch zum Entzug des Führerscheins oder sogar zu einer Freiheitsstrafe führen.

Ausweitung smarter Verkehrsüberwachung

Vom Einsatz intelligenter Systeme versprechen sich Behörden indes auch in anderen Bereichen der Verkehrsüberwachung Erfolge, etwa beim Aufspüren von Straftätern oder Terroristen. Die New Yorker Polizei beispielsweise testet ein Echtzeit-Videoüberwachungssystem zur automatischen Identifizierung von Autofahrern. An stark befahrenen Brücken und Tunnels installierte KI-Kameras scannen die Gesichter von Fahrern und gleichen die Aufnahmen mit Fotos einer Datenbank ab.

In Berlin fordert die Polizei ausserdem den Einsatz automatischer Kennzeichenerkennung, um Dieselfahrverbote zur Senkung der Stickoxidbelastung in Städten durchsetzen zu können. Unter den gegebenen Voraussetzungen seien laut der Gewerkschaft der Polizei Verstösse nicht kontrollierbar. Erste Fahrverbote für alte Dieselfahrzeuge sind in der deutschen Hauptstadt Ende November in Kraft getreten.

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