Denkverboten

Anstelle von Denkverboten

In Zeiten der Donald Trumps und der Greta Thunbergs könnten Kontraste in der Weltsicht nicht ausgeprägter sein. Polarisierer wähnen sich im Begriff der einzig gültigen Wahrheit. Ökologie und Ökonomie stehen sich gegenüber wie These und Antithese, entstammen aber beide einem Ursprung, sind untrennbar verbunden. Das eine Prinzip lebt aus und durch das andere. Und vice versa.

Wir leben in einer Epoche, in der wir lernen müssen, Polaritäten und Denkverbote zu erkennen und zu überwinden. Denn damit können wir notwendig gewordene Verwandlungen der Gesellschaft und Wirtschaft ermöglichen. Was eigentlich zusammengehört, fällt aber zusehends auseinander. Alle Welt redet von Nachhaltigkeit. Sogar die Finanzwirtschaft hat sie entdeckt. Kein Wunder. Nachhaltige Schulden lassen sich wunderbar weiterverkaufen.

Sapere aude

Wohl verstandene Nachhaltigkeit könnte eine Synthese aus ökologischen und ökonomischen Interessen sein. Haushalten und Nachhalten entspringen einer Quelle. Ganz im Sinne des griechischen Oikos. Den zu bemühen, erfordert den Mut des Querdenkers. Denn das Ökosystem braucht Ökonomie und Ökologie. Der Diskurs kann zum Führungsprinzip werden. Sapere aude: Habe Mut, weise zu werden. Kant machte daraus – dich deines Verstandes zu bedienen.

Wie wahr. Wir benötigen nicht nur eine Rückbesinnung auf tradierte Werte. Auch eine multiintelligente Voraussicht ist dringlich von Nöten. Das geht nicht mit Denkverboten und -blockaden. Wir können dem nur mit neuem Denken entwachsen. Und dies in Freiheit. Einem Denken, das Grenzen überschreitet und neue Perspektiven für sinnvolles Handeln eröffnet. Darauffolgend die so dringenden Erfindungen und Innovationen für unseren diesbezüglich dahinvegetierenden Wirtschaftsraum.

Neue Maximen

Hermann Hesse lässt Demian sagen: „Nur das Denken, das wir leben, hat einen Wert.“[1] Das ist nicht nur schön gesagt. Es kann als Maxime auch für Unternehmen stehen. Unternehmen kommen in der Frage der Vertrauenswürdigkeit laut Umfragen schlecht weg[2]. Aber sie haben auch einen riesigen Hebel in der Hand, um die Welt zu verändern und lebenswerter zu gestalten. Die Zeit drängt, aber genau deswegen sind Besonnenheit, Konzentration, Intelligenz und Effizienz entscheidend. Mit neuem Fokus kann ein anderer Weg eingeschlagen werden. Wie können Unternehmen sich verändern und im Hinblick auf sich sehr schnell wandelnde Verhältnisse erfolgreich bleiben? Und dies unter ökologischen, sozialen, nachhaltigen, aber auch ökonomischen Gesichtspunkten. Dieser Weg beinhaltet ein Rück- und Vorbesinnen auf verloren gegangene und neue Werte: ohne Denkverbote und fadenscheinige Wertekostüme. Nietzsche folgend ist der Mensch sowohl Zertrümmerer als auch Setzer von Werten.

Der Nachhalt

Mehr und mehr setzt sich die Einsicht in den Köpfen auch unserer Wirtschaftslenker durch, dass wir so nicht weiter machen können. Wir benötigen ein anderes System, die Wirtschaft zu führen, Rechenschaft abzulegen und zu bilanzieren.[3] Wir diskutieren seit mehr als 10 Jahren verzweifelt über Nachhaltigkeit. Abertausende von Wissenschaftlern in aller Welt messen immer exakter die Zustände von Mutter Erde. Uns gelingt es bislang nicht, diese Erkenntnisse, Fakten und Werte zu integralen Bestandteilen unserer Bilanzen zu machen. Dabei stiftet Nachhalten bekanntlich Vertrauen und Werthaltigkeit.

Werte dienen als Kompass, um Richtung zu geben, für Entscheidungen. Die Komplexität des Lebens und Wirtschaftens hat enorm zugenommen. Beleg: Unternehmen fordern am meisten den Bürokratieabbau.[4] Komplexität erfordert ganzheitliche Konzepte. Mit der Ganzheit entsteht etwas Neues durch die Integration der Teile auf einem höheren Niveau. Unsere Probleme haben wir uns selbst erschaffen. Sie sind weder mit überkommenem Denken noch mit den Rezepturen der Vergangenheit zu lösen. Unsere heutige Krise ist deren Produkt. Folglich kann dieses Produkt auch nicht mit der gleichen Denkungsart verwandelt werden, die zu jener Erstarrung führte. Es müssen Unternehmensentwicklungen angestoßen, Transformationsprozesse in Gang gebracht werden, die aus der Dystopie, aus den Sackgassen unseres Denkens hinausführen. So werden wir neue Türen des Zukünftigen aufzustoßen in der Lage sein.

Entdeckergeist wecken

Um diesen neuen und alten Werten zur Wirksamkeit zu verhelfen, benötigen wir Abenteurer- und Entdeckergeist. Ohne ihn kein Neuland, keine neuen Produkte, Dienstleistungen und Arbeitsplätze. Wir sind derartig verseucht vom Kosten-Nutzen Denken, dass wir die notwendige Kreativität auf der Suche nach dem unternehmerischen Genius verloren haben. Vielleicht auch eine Folge von Denkverboten? Wir benötigen also neue Konzepte, gewonnen aus freiem Denken und daraus resultierenden unternehmerischen Handlungsweisen. Dafür ist auch ein neu zu entwickelndes Bewusstsein für die realen Zusammenhänge und Vorgänge im Unternehmen notwendig. Führung wird zur dynamischen Disziplin, die sich stets an wandelnde Begebenheiten anpasst, mehr noch: Den Wandel aktiv gestaltet, ihm Profil und Richtung gibt.

Neues Bewusstsein schafft neue Bilanzform

Ein möglicher Brennspiegel des Neuen? Die Wertebilanz. Im Gegensatz zu den bisherigen Bilanzierungsregularien. Spiegeln denn die tradierten Bilanzen die tatsächlichen Verhältnisse in einem Unternehmen wider? Bilden diese vollständig und wahrheitsgemäß die unternehmerischen Prozesse ab? Für die meisten Mitarbeiter und Führungskräfte sind Bilanzen darüber hinaus langweilig, nicht verständlich und es macht keinen Spaß, sich damit zu beschäftigen, geschweige denn, diese zu erstellen. Was fehlt?

Bilanzen stellen herkömmlich eher Zahlen und Berichte dar. Die finanzielle Entwicklung der Geschäftsaktivitäten in definierten Zeiträumen wird abgebildet. Doch was ist mit anderen unternehmerischen Belangen? Eigentlich schreibt die Gesetzgebung sogar vor, korrekt, vollständig und wahrheitsgetreu zu bilanzieren. Vieles, für das bereits in Unternehmen quasi selbstverständlich, aber jenseits der Beobachtung gearbeitet wird, wird sichtbar und bewertet, wertgeschätzt und damit buchbar in die Klarheit geführt. Real wertschöpfende Prozesse in einer Wertebilanz zu dokumentieren führt das Unternehmen zu seinem Genius. Dies auch mittels eines neuartigen Ansatzes der Ressourcenbilanzierung.

Real wird dies durch das Buchen von Verbrauch, Gebrauch, Vernichtung und Renaturierung der natürlichen Ressourcen in der Wertebilanz. Ressourcen werden zu Vermögen der Unternehmen. Damit bleiben Verantwortung und Besitz für die verwendeten Rohstoffe im Unternehmen selbst. Das Produkt wird zwar verkauft oder verliehen, der Rohstoffwert aber bleibt unangetastet. Dadurch wird der Umgang mit unseren Naturgütern nachvollziehbar. Der Staat bräuchte keine pauschalen Steuern mehr erheben, sondern würde den Verbrauch oder das Verschleudern der Ressource höher besteuern und das Recyceln belohnen durch Steuererleichterungen.

Zukunftsfähige Prosperität

Das alles benötigt System, das auf der einen Seite Freiheitsgrade in sich trägt, auf der anderen Seite einen klaren Rahmen für Orientierung: Die Wertebilanz. Auf Heller und Euro werden die alten und neuen Werte in der Wertebilanz festgestellt und real gebucht. Bisher schlafende, nicht transparente Leistungen, die sich nach „Lüftung“ sehnen oder neue Unternehmensleistungen werden so wie Schätze geborgen. So kann Wertschätzung einsetzen, auch in monetärer Hinsicht. Der konkreten gesamtgesellschaftlichen Entwicklung, speziell in Fragen der Digitalisierung, Globalisierung und der ökologischen Nachhaltigkeit folgend, ergeben sich immer neue wertschöpfende Prozesse und Produkte, die von Fall zu Fall vom Geldwert berücksichtigt werden müssen. Diesen Wertschöpfungsprozessen wird in der Wertebilanz Rechnung getragen. Wirkungen entdecken wird integraler Bestandteil einer neuartigen Bilanzierung.

Wertebilanzunternehmen zeigen offensiv, was sie können und leisten. Und eines ist gewiss: Die Wertebilanz wird die ökonomischen und ökologischen Verhältnisse realistischer spiegeln und der unternehmerischen Wirklichkeit näherbringen. So werden Buchhaltung und Bilanzierung verständlicher und wecken vielleicht ein breiteres Interesse im Unternehmen und darüber hinaus. Warum, weil die Vorgänge und Fakten im Unternehmen tatsächlich in die Bilanz geschrieben werden. Erreichtes wird sichtbarer. Begeisterung kommt auf und das Unternehmen entwickelt eigenständig Potenziale. Die Wertebilanz schafft die Grundlage zukunftsfähiger Prosperität, Ökonomie und Ökologie zu einem alten und neuen Ganzen zusammenführend.


[1] Hesse, H.: Demian, Suhrkamp, 1974
[2]  https://www.nim.org/sites/default/files/medien/135/dokumente/2018_-_trust_in_professions_-_deutsch.pdf
[3] https://www.value-balancing.com
[4] https://www.familienunternehmen.de, https://www.welt.de/themen/buerokratie/



Kommentare

  1. / von Anstelle von Denkverboten - Wertebilanz.com

    […] Gastbeitrag Bertelsmann Stiftung Creating Corporate Cultures […]

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