Frauen

Frauen gehen eigene Wege (Teil 4)

7 Blogbeiträge für mehr Chancengleichheit in Unternehmen! Es kann nicht darum gehen, dass sich Frauen an ein System anpassen müssen. Vielmehr sollte sich die kulturelle Transformation für mehr Chancengleichheit in Unternehmen gerade in der Haltung und im Vorleben von Führungskräften zeigen, die es ernst meinen. Das ist harte Arbeit auf allen Seiten, doch fest steht: nur wenn es Unternehmen gelingt, den Wandel zu meistern, neue Arbeitszeitmodelle, Karrieremöglichkeiten und individuelle Lösungen für alle Mitarbeiter:innen anzubieten, werden alle profitieren – damit der Weg frei ist für eine zukunftsgerichtete, innovative Wirtschaft.

-> Hier geht’s zum Download unserer Publikation


Zu nett für den Aufstieg? Vorsicht vor der Likeability- Falle!

 

DIE ERWARTUNGEN AN FRAUEN IN FÜHRUNGSPOSITIONEN SIND WIDERSPRÜCHLICH. NUR WENN WIR DIESE ROLLENSPIELE AUFBRECHEN, WIRD ES GLEICHBERECHTIGUNG AUF DEM CHEFSESSEL GEBEN.

Als Ursula von der Leyen Verteidigungsministerin wurde, kommentierte der Redakteur eines Politikmagazins in einer Reportage über ihren Alltag als Politikerin: „… man möchte augenblicklich von ihr mit einer Tasse Kakao ins Bett gebracht und zugedeckt werden.“ Offensichtlich fand er die fachlichen Qualifikationen, die Frau von der Leyen in ihrer Arbeit zeigte, weitaus weniger nennenswert als ihre potenziellen mütterlichen Fähigkeiten. Eine Ausnahme? Mitnichten. Als Fränzi Kühne, Gründerin der Digitalagentur TLGG, mit 34 Jahren Deutschlands jüngste Aufsichtsrätin bei der Freenet AG wurde, wurde sie sehr viel häufiger dazu befragt, was sie zum Antritt der neuen Position anziehen würde, als zu ihren inhaltlichen Zielen und Plänen in der neuen, einflussreichen Position. Dass es vielen Frauen tagtäglich ähnlich ergeht, hören wir in unseren „Executive Trainings: Women and Cultural Change“ leider allzu oft.

Warum bleiben durchsetzungsfähige Frauen in solchen Situationen oft so zahm? Wo es doch so klar ist, dass Anmerkungen zu mütterlichen Fähigkeiten oder zur Kleidung nun wirklich unterhalb des Niveaus für das Gespräch mit einer Politikerin oder Managerin liegen. Die Antwort ist: Sie umgehen die Likeability-Falle oder Nettigkeitsfalle. Denn sie wissen, dass Frauen, die auf solche Beleidigungen schroff reagieren, als zickig wahrgenommen werden. Und das schadet dem Ansehen letztlich mehr, als solche Situationen einfach durchzuwinken.

Die Beispiele zeigen ein grundsätzliches Dilemma, in dem Führungsfrauen sich befinden: Sie sollen kompetent und weiblich warmherzig zugleich wirken. Das verlangt die Konvention. Und auch wenn wir uns für aufgeklärt und objektiv halten, so haben wir doch alle diese Konventionen im Kopf. „Das Bild, dass wir von einer idealen Führungskraft haben, lässt sich ganz leicht mit unserem Stereotyp des idealen Mannes in Einklang bringen“, erklärt Babette Brinkmann, Arbeits- und Organisationspsychologin an der Technischen Hochschule Köln. „Sie soll kompetent, anspruchsvoll, durchsetzungsstark, direkt und selbstbewusst sein.“

Frauen werden dagegen vor allem als sympathisch und glaubwürdig wahrgenommen, wenn sie eine gewisse Warmherzigkeit ausstrahlen. „Damit kollidiert die Definition einer idealen Führungskraft jedoch mit der Rollenbeschreibung einer idealen Frau“, erklärt Brinkmann.

Daraus ergibt sich für Frauen in Führungspositionen ein schier unlösbares Dilemma: Verhält sich eine weibliche Führungskraft rollenkonform – ist sie also stets empathisch, freundlich und auf das Wohl aller bedacht – wird sie über eine gewisse Stufe von Verantwortung nicht hinauskommen, weil man ihr Durchsetzungskraft und Kompetenz abspricht. Verhält sie sich jedoch so durchsetzungsstark, wie man es von einer kompetenten, karriereorientierten Führungskraft erwartet, kommt sie in Konflikt mit den typischen Rollenzuweisungen an Frauen. In diesem Fall wird sie sehr schnell als unweiblich und unsympathisch eingestuft.

Babette Brinkmann erklärt die daraus resultierenden fatalen Folgen für weibliche Führungskräfte: „Weibliche Stereotype sind auch 2020 dem Frauenbild der 50er Jahre ähnlicher als dem Bild einer klaren, durchsetzungsstarken, machtvoll agierenden Führungskraft. Das führt zu Vorurteilen gegenüber Frauen auf zwei Ebenen: Frauen werden für weniger geeignet gehalten, Führung und Management zu übernehmen. Und Frauen wird das gleiche Verhalten in Führung und Verhandlung negativer ausgelegt.“ Der Grat, auf dem weibliche Führungskräfte angemessen stark und zugleich ausreichend weiblich agieren können, ist also extrem schmal. Entweder wird ihre Kompetenz ständig infrage gestellt oder die Frau selbst wird als unweiblich diskreditiert. Dabei muss man festhalten: Diesen Blick auf weibliche Aufsteiger pflegen Männer genauso wie andere Frauen! Das ist das Wesen von fest verankerten Rollenzuweisungen.

 

Das hilft: Erfolg versprechender als die Anpassung an die Rollenerwartungen ist ein aktiver Umfang mit ihnen, erklärt eine 43-jährige Führungskraft:

„Ich versuche, sehr klar und sehr aufmerksam für alle Rollenerwartungen zu sein. Zugleich bin ich ganz stark in meiner inneren Ausrichtung, mich diesen Erwartungshaltungen nicht in dem Maße anzupassen.“ 

Erfüllt man Erwartungen nicht, kann dies natürlich zu Konflikten führen. Doch die Mühe lohnt, wie eine 49-jährige Führungskraft beschreibt, die bereits einige Karriereschritte gegangen ist und nun in der Mitte ihrer beruflichen Laufbahn steht:

„Rollenklärung geht manchmal mit einem Konflikt einher oder auch mal mit einem kritischen Gespräch. Aber es ist gut, das zu klären und meine Störgefühle zu äußern. Es ist gut, weil der andere die Situation gar nicht so empfindet. Und es ist auch wichtig, das offen anzusprechen, anstatt es runterzuschlucken, sich zu verbiegen und zu ärgern.“

Praxistool:
So hebeln Sie kreativ verdeckte Rollenklischees aus

Für Gespräche:
  • Nehmen Sie die Gesprächsführung selbst in die Hand und bestimmen Sie somit Themen und Ton.
  • Gewöhnen Sie sich einen freundlichen Blick an, der ohne viel Lächeln auskommt.
  • Ignorieren Sie Anspielungen auf Ihre Kleidung und typische Klischeefragen, wenn Sie diese gerade unangemessen finden, und kommen Sie auf Ihr Sachthema zurück.
Für Ihren Arbeitsalltag:
  • Rollenklärung im Beruf ist völlig normal. Sprechen Sie deshalb Ihren Unmut über klischeehafte Rollenerwartungen offen und sachlich an. Falls Sie zum Beispiel häufig gebeten werden, die Präsentation vorzubereiten, damit sie ein männlicher Kollege hält, können Sie einfach einfordern, dass sie im Team die Aufgabe auch einmal wechseln.
  • Reflektieren Sie typische Rollenklischees. Frauen, denen typische Zuweisungen bewusst sind, können besser damit umgehen. Sie können entscheiden, ob Sie Bemerkungen ignorieren, humorvoll parieren oder sachlich ansprechen. Das gibt Ihnen Handlungsfähigkeit zurück und Selbstbewusstsein.

 

Praxistipp für Führungskräfte und Personalverantwortliche:
Meiden Sie die Likeability-Falle

 Die Likeability-Falle schnappt häufig völlig unbemerkt zu. Folgende Leitfrage stoppt den diskriminierenden Automatismus:

„Würde ich die Äußerung, den Gestus oder den Ton der Frau, mit der ich gerade kommuniziere, ebenso kritisch bewerten, wenn dies ein Mann gesagt oder getan hätte?“

 

Autorin: Carola Kleinschmidt, Journalistin und Trainerin mit Schwerpunkt Älterwerden im Beruf.


 

Weitere Blogbeiträge zu „Frauen gehen eigene Wege“ finden Sie hier:

Teil 1 „Frauen gehen eigene Wege – nur wer diese kennt, kann weibliche Karrieren fördern“
Teil 2 „Der Frauenweg ist der Weg für Menschen! Karriere und Erfolg müssen neu definiert werden.“
Teil 3 „Arbeit neu denken, anders führen – Frauen bringen mit, was moderne Führung verlangt.“



Kommentar verfassen