Alter Italiener mit typisch italienischer GEste

Kontextabhängige Führung – oder was man von italienischen Schwiegervätern lernen kann…

Alfredo war Italiener – Berufsitaliener und Schwiegervater! Und er hatte eine Angewohnheit: fast jede seiner Antworten auf eine Frage – vom besten Jahrgang eines Weines über die Wirtschaftslage bis zur Zukunft Europas – begann damit, dass er die Augenbrauen hochzog, den Zeigefinger empor reckte und warnte: „Dipende ….!“ Mit anderen Worten: Hängt davon ab …! – kommt darauf an …!

Was hat das mit moderner Führung zu tun? Nun, Globalisierung und Digitalisierung haben die Welt zunehmend komplexer gemacht: es gibt nicht mehr nur die eine Lösung oder die eine Sichtweise. Allein die „gefühlte“ Gleichzeitigkeit aktueller Krisen, wie im Thesenpapier „Krisenmanagement im 21. Jahrhundert“ postuliert, verweist auf eine neue Realität: viele Entwicklungen sind in Umfang und Tragweite nicht mehr vorhersehbar bzw. beherrschbar. Führung und Entscheidungsverhalten hängen viel mehr von den jeweiligen Umständen ab: Dipende!

Jedem Entscheidungsträger in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft, der heute die einzig wahre Lösung verspricht, oder argumentiert, man müsse nur mal schnell Maßnahme 1, 2 und 3 richtig umsetzen, dann wäre alles wieder im Lot, ist mit einer gesunden Skepsis zu begegnen.

Kein CEO wird trotz einer Langfrist-Strategie und 5-Jahresplanung mehr Garantien abgeben können, ob alles noch in 5 Monaten oder 5 Wochen so sein wird wie geplant.

Jede Entscheidung ist heute im jeweiligen Kontext zu bewerten und aus dem Kontext heraus zu fällen – und dieser Kontext wechselt oftmals stündlich. Dazu braucht es die Fähigkeit zur kontextabhängigen Führung, die die unterschiedlichen Perspektiven in Betracht zieht, Raum lässt für verschiedene Vorgehensweisen und flexibel, z. B. durch Prototyping, auf Herausforderungen reagieren kann. Damit ändert sich unter Umständen der Führungsstil – auch stündlich. Es geht also weniger um die Frage der guten oder schlechten Führung. Was ist überhaupt gute Führung? Es geht um wirksame Führung.

Natürlich gilt die transformationale Führung auf dem führungstechnischen Reißbrett immer noch als das Nonplusultra. Aber in Zeiten der Globalisierung und Digitalisierung wird sie zunehmend auch zum Problem. Vielleicht braucht der Kunde am Morgen eine Entscheidung, bei der man nicht mehr alle Mitarbeiter beteiligen, ansprechen und informieren kann. Am Nachmittag gibt es durchaus bei strategischen Themen die Möglichkeit einer ausgiebigen Partizipation. Dipende!

Die Einbeziehung des jeweiligen Kontextes als relevante (Steuerungs-)Größe bei Führungsverhalten und Entscheidungsfindung setzt auch ein Umdenken in der Führungskräfteentwicklung voraus: zu viel und zu oft wurde in Wissenschaft und Praxis die Persönlichkeit der Führungskraft in den Vordergrund gestellt. Zu wenig Perspektive wurde darauf verwendet, unter welchen Umständen geführt wird. Welche Bedingungen braucht eine Führungskraft, um wirksam zu führen? Wie kann eine Organisation diese Bedingungen herstellen? Und wie lernen Führungskräfte, den Kontext in Entscheidungen einzubinden?

Wahrscheinlich ähnelt das Verhalten von Führungskräften zukünftig eher dem eines Schachspielers, indem immer schneller und öfter die verschiedenen Spielzüge der Gegner vorhergesehen, durchgespielt und abgewogen werden sollten bzw. zumindest Spieler auf alle Unwägbarkeiten vorbereitet sein müssten. Nicht immer bleiben Zeit und Raum für die perfekte Führung aus dem Lehrbuch.

Deshalb zeichnet sich ein Paradigmenwechsel ab: Schaue nach wie vor bei der Führungskräfteauswahl und -entwicklung auf die Persönlichkeit. Analysiere und verändere aber gleichzeitig auch die Führungsbedingungen und nutze den Kontext gezielt für Veränderungen. Dipende!

Eine Quintessenz aus dem Training „Zukunftsfähige Führung“ lautet für den Teilnehmerkreis daher am Ende i. S. eines Plädoyers für die kontextabhängige Führung: Many surprises – no solutions – be prepared!



Kommentare

  1. / von Blog | Creating Corporate Cultures | „Mindful Manager“: Wenn Yoga zur Burnout-Falle wird - Blog | Creating Corporate Cultures

    […] auch hier gilt: Der Fisch stinkt vom Kopf. Die oberste Führungsebene, die Vorstände und Geschäftsführer, müssen erkennen, dass weitere Investitionen, wie aktuell in den „Mindful Manager“, der falsche Weg sind. Sie […]

  2. / von Blog | Creating Corporate Cultures | Rettet die Freaks! Oder: Das beste Sushi der Welt! - Blog | Creating Corporate Cultures

    […] des Stolzes über das Gesicht angesichts seines Produkts. Hält diese kleine Episode nicht gleich mehrere Lektionen […]

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