Super-hubs: Neuronale Verbíndung

Super-hubs: Chief Networking Officers

Manche Dinge haben wir so verinnerlicht, dass wir sie trotz ihrer Wichtigkeit im Alltag vernachlässigen. Dazu gehören auch die Beziehungspflege und das Netzwerken. Heute mehr als jemals zuvor sind diejenigen am einflussreichsten, die über die besten Beziehungen verfügen und diese am besten zu nutzen wissen. Angesichts fortschreitender Globalisierung stellt „Vernetztsein“ einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil dar. Denn in einer Welt, in der alles automatisierbar und kopierbar ist und menschliche Beziehungen zunehmend digitalisiert werden, sind höchstpersönliche Beziehungen das wertvollste Gut. Ihre Kultivierung erfordert große Investitionen an Zeit und Aufwand und kann aufgrund der persönlichen Natur nicht delegiert oder outgesourced werden.

Fast allen menschlichen Aktivitäten, ob sozialen, wirtschaftlichen oder politischen, liegen Netzwerke zugrunde, und alle Aspekte unseres Lebens sind durch ineinander greifende Netzwerke verbunden. Bereits vor unserer Geburt sind wir physisch Teil eines Netzwerks, und für den Rest unseres Lebens ist es eines unserer grundlegendsten Bedürfnisse, Verbindungen zu anderen Menschen aufzubauen, um unser Überleben und unseren Erfolg zu sichern. Zu einem nicht unbeachtlichen Teil wird unser Schicksal durch den Platz bestimmt, den wir in sozialen und beruflichen Netzwerken einnehmen. Die Netzwerke einzelner Personen sind zwar begrenzt, aber durch die Verzahnung mit anderen Netzwerken besitzen sie praktisch eine unbegrenzte Reichweite. Dies illustriert auch anschaulich das “Six Degrees of Separation“ Experiment, wonach jeder Mensch jeden anderen in der Welt über durchschnittlich sechs Ecken kennt und erreichen kann.

„CEOs, Fondsmanager, Finanziers und Finanzpolitiker, haben Beziehungsaufbau und Netzwerkpflege perfektioniert“

“Super-hubs“ – die menschlichen zentralen Knotenpunkte sozialer Netzwerke – haben dies realisiert. Insbesondere die Super-hubs an den Schalthebeln der Finanzwelt, wie Banken-CEOs, Fondsmanager, Finanziers und Finanzpolitiker, haben Beziehungsaufbau und Netzwerkpflege perfektioniert. Auf diese Weise haben sie sich beispielsweise auch gleich zu Anbeginn von Präsident Trumps Amtszeit im Machtzentrum zu platzieren gewusst. Der ehemalige Goldman Sachs Chef, Gary Cohn bekleidet nunmehr mit vier weiteren Goldman Führungskräften Schlüsselpositionen an der Regierungsspitze, Fondsmanager Wilbur Ross ist Handelsminister und Blackstone Gründer Steve Schwarzman leitet das Wirtschaftsberatungs- gremium, in das er sein Platin-Netzwerk von Konzernchefs eingebracht hat.

Super-hubs verfügen über großes “Beziehungskapital“. Beziehungskapital spiegelt den Wert der Beziehungen einer Person wider und stellt in einer Wissensökonomie, in der fast alles nachgebildet werden kann, ein begehrtes Gut dar, da die Beziehungen einer Person einmalig und unnachahmlich sind. Je hochrangiger und tiefgehender die Beziehungen sind, desto größer ist das Beziehungskapital. Beziehungskapital schafft “Netzwerkkapital“, und das wiederum erhöht die “Beziehungsrendite“. Angesichts der Tatsache, dass viele Unternehmen heute globale Geschäftspartner, internationale Arbeitnehmer im In- sowie im Ausland, eine diverse Kundschaft und grenzüberschreitende Geschäfte haben, hat sich globales Vernetztsein als eine gesonderte Wettbewerbskategorie herauskristallisiert.

„Beziehungsaufbau basiert auf Inhalten, da nachhaltige Beziehungen nur auf Substanz und nicht auf Oberflächlichkeiten gedeihen können“

Super-hubs sind ihre eigenen “Chief Network Officers“ und praktizieren einen ganzheitlichen Vernetzungsansatz. Aufgeschlossen, hegen sie typischerweise aufrichtiges Interesse an anderen Menschen, sind von intellektueller Neugier beseelt und stets bestrebt, durch gegenseitigen Gedankenaustausch zu lernen. Kommunikation und Beziehungsaufbau machen ihnen Spaß. Im Laufe ihres Lebens investieren sie in die Kultivierung vertrauensvoller Beziehungen, die sie durch gemeinsame Erfahrungen weiter vertiefen. Das erlaubt es Ihnen, bei Bedarf jederzeit auf einen Kreis von Verbündeten zurückzugreifen. Ihr Beziehungsaufbau basiert auf Inhalten, da nachhaltige Beziehungen nur auf Substanz und nicht auf Oberflächlichkeiten gedeihen können.

Hypervernetzte Super-hubs haben aufgrund ihrer Netzwerke die besten Möglichkeiten ihre Interessen durchzusetzen. Dies geschieht im Wesentlichen über den Austausch von “Netzwerk-Währungen“, wie Sozialkapital, Zugang, Informationen, Kapital und Geschäftsopportunitäten. Sozialkapital dient genau genommen in erster Linie als ein Vehikel für andere Netzwerk-Währungen. Es beruht in der Hauptsache auf dem Austausch von Gefälligkeiten und gehört zum Fundament kooperativer Beziehungen. Die Analogie „Kapital“ impliziert, dass es sich um eine renditeträchtige Investition handelt. Der Austausch gleicht einer subtilen Verhandlung, und jeder Gefallen ist wie ein Darlehen, das durch den Status des Empfängers besichert ist. Super-hubs sind äußerst umsichtig und sind stets hilfsbereit bestrebt, mit Gefallen in Vorleistung zu gehen. Ihre Großzügigkeit wird typischerweise belohnt, wenn nicht sofort mit dem Akt des Gebens, dann doch als Netzwerkkapital, das abrufbereit auf ihrem Sozialkapital-Bankkonto liegt.

„Geld schafft Verbindungen und Verbindungen schaffen Geld“

Einer der ersten Schritte zur Interessensdurchsetzung ist Zugang zu einflussreichen Menschen, hilfreichen Ressourcen, privilegierten Informationen, Kapital und Geschäftsmöglichkeiten. Da wir nachhaltige Beziehungen nur mit einer begrenzten Anzahl von Menschen führen können, teilen sich insbesondere Superhubs ihre kostbare Zeit sorgsam ein. Laut der von Robin Dunbar geprägten „Dunbar’s Number”- hat unser Gehirn die kognitive Kapazität, nachhaltige Beziehungen mit bis zu 150 Menschen zu führen. Diese natürliche Begrenzung macht Zugang noch wertvoller. Zu den wertvollsten Netzwerkwährungen gehören Informationen. Die wichtigsten Informationen kommen von anderen Menschen, nicht aus theoretischen Quellen. Insbesondere angesichts der ständigen Informationsüberflutung stellt relevantes, zeitnahes Wissen aus erster Hand die Nadel im Heuhaufen dar.

Darüber hinaus eröffnen Netzwerkverbindungen Zugang zu Kapital. Geld ist ein entscheidender Netzwerkkatalysator: Geld schafft Verbindungen und Verbindungen schaffen Geld. Es flechtet ein enges Netz zwischen den Super-hubs der Finanzindustrie, der Wirtschaft und der Politik. Für sich gesehen sind einzelne Super-hubs bereits mächtig, aber durch ihre Verflechtungen in eng geknüpften Netzwerken potenziert sich ihre Macht noch.

Aus dem Netzwerk-Zugang zu Menschen, Kapital und privilegierten Informationen resultiert ein weiteres begehrtes Netzwerk-Gut von dem andere meist nicht einmal Kenntnis erlangen, nämlich die „günstige Gelegenheit“, die „Geschäftsmöglichkeit“, die „Opportunität“.

In unserer zunehmend vernetzten Welt sind wir alle immer mehr voneinander abhängig. Gerade angesichts wachsender Ungleichheit und Polarisierung sollte es auch beim Netzwerken unter Beachtung einer werteorientierten Kultur darum gehen, inklusiv Opportunitäten für alle Betroffenen Segmente der Gesellschaft, wie Arbeitnehmer, Kunden und der Gemeinde zu schaffen.

 

 

Dieser Artikel basiert auf Auszügen von Sandra Navidis Buch $uper-hubs: Wie die Finanzelite   und ihre Netzwerke die Welt regieren, 320 Seiten, FinanzBuch Verlag, München 2016 (Bloomberg’s „The Best Books 2016“)

 



Kommentar verfassen