Mann mit Bart lächeln in einem kreativen Büro

Talente: Wie Führungskräfte ihre Besten behalten

Mittlerweile ist durch zahlreiche Studien bewiesen, dass intelligente und motivierte Talente in Unternehmen die wichtigste Grundlage für nachhaltigen Geschäftserfolg sind – und das branchenunabhängig. Während Demographie und Migration die Frage in den Vordergrund rücken, wie man neue Talente ins Team bekommt, stellt sich zunehmend das Problem, seine Besten auch dort zu halten: Ein globaler Arbeitsmarkt ermöglicht besonders Begabten grundsätzlich eine regelmäßige Veränderung zum Besseren. Wie also behält man seine klügsten Köpfe? Die Antworten sind verblüffend einfach, deren Umsetzung eher schwierig.

Als Leiter eines Unternehmens im Bereich der Begabtenförderung, ehemaliger Dozent für hochbegabte Kinder und Jugendliche und Stipendiat in mehreren Begabtenförderwerken, war mein Studium geprägt von dem oft ungewöhnlichen Austausch über die Wünsche junger und besonders intelligenter Menschen. Diese ändern sich auch im professionellen Kontext nicht substanziell: Mehrere Studien im Bereich Talentmanagement gemeinsam mit HR Heads und Führungskräften aus der ganzen Welt – und in Zusammenarbeit mit den Talenten selbst – ließen bei mir klare Eindrücke zum Umgang mit besonders begabten Mitarbeitern entstehen.

Eigenverantwortung und Anerkennung

Generell könnte man sagen, dass sehr intelligenten Menschen im Beruf vor allem zwei Dinge wichtig sind: Eigenverantwortung und Anerkennung. Vor allem in Bezug auf Letzteres klingt das vielleicht nach einem Klischee; seine besten Performer richtig anzuerkennen ist jedoch durchaus eine anspruchsvolle Aufgabe. Anerkennung ohne sachliches Verständnis der gelösten Probleme oder den inhaltlichen Umfang der bewältigten Arbeit wirkt auf Begabte irrelevant und ist emotional von vornherein zum Scheitern verurteilt. Besser ist es, den Mitarbeiter selbst zu fragen, welche Aufgaben und Ziele er oder sie hat, wie er oder sie diese angehen will und welche Ressourcen dafür verfügbar gemacht werden können. Solche gemeinsam mit dem Mitarbeiter vereinbarten Ziele sind ein sinnvoller Maßstab von Lob und Anerkennung – nicht unbedingt das, was man auch von allen anderen erwarten würde.

Talentierte Menschen brauchen zumeist das klar ausgeprägte Gefühl, eigene Ziele selbstbestimmt verfolgen zu können und in ihren oft kreativen und ungewöhnlichen Lösungswegen möglichst nicht durch allzu traditionelle Strukturen, irrationale Ängste oder übermäßige Kontrolle behindert zu werden. Wenn Führungskräfte es wagen, Ressourcen flexibel freizumachen und Talente „laufen zu lassen“ – ihnen also mit Vertrauen anstatt Zweifel begegnen – führt das unter Begabten grundsätzlich zu mehr Engagement und dem Willen zu zeigen, was man kann. Natürlich bedeutet dies nicht, alles völlig frei den angestoßenen Prozessen zu überlassen: Vertrauen in die Kreativität und Innovationsfreude der hierfür am besten geeigneten Mitarbeiter ist aber nicht nur gerechtfertigt, sondern zumindest in regelmäßigen Abständen unbedingt nötig, um dauerhaften Erfolg zu gewährleisten.

Führungskräfte, die aus Angst ihre Untergebenen torpedieren, vertreiben Talente

Ehrliche Anerkennung für tolle Leistungen kombiniert mit der damit verbundenen Macht in den Händen von Untergebenen, die aus dem flexiblen Einsatz selbstverantworteter Mittel resultiert, wirkt auf den ersten Blick vielleicht als Gift für jede Autorität. Tatsächlich ist es durchaus möglich, dass jahrelang geförderte Talente später neue und verantwortungsvollere Rollen wahrnehmen. Doch muss dies nicht unbedingt die Regel sein: Viele sehr begabte Mitarbeiter haben einen Grund dafür, noch nicht in größerer Führungsverantwortung zu stehen, obwohl sie dies könnten. Nicht jeder will führen, viele möchten stattdessen führende Experten sein oder ihnen ist die positive Kultur eines funktionierenden Teams am Ende einfach wichtiger als persönliche Verantwortung. Ganz zu schweigen von der wachsenden Orientierung vieler besonders junger Talente an Vorstellungen wie Familie, freizeitlichem Engagement und ethisch vertretbaren Unternehmenswerten. Ängste vor dem Verlust der eigenen Autorität würden das Prinzip von Ursache und Wirkung verkennen und im Zweifel genau die Tatsachen schaffen, die Talente regelmäßig aus Firmen vertreibt: Ungewöhnliche Ideen von vornherein verwerfen, sture Prozessorientierung, falsche Versprechungen und – nicht zuletzt – Führungskräfte, die teils aus Angst vor den Kompetenzen ihrer Untergebenen deren Entwicklung bei jeder Gelegenheit torpedieren.

Man stelle sich stattdessen vor: Führungskräfte, die individuell hochkarätige Leistungen anerkennen, fördern und die Eigeninitiative besonders begabter Mitarbeiter ermutigend vorantreiben. Wäre dies wirklich mit einem Verlust an Autorität verbunden oder hätte gar negative Auswirkungen auf die Arbeitskultur der Belegschaft? Kaum. Jedoch legen Aner- kennung und Vertrauen in die eigenen Mitarbeiter auf exponierter Ebene bloß, wie es um diese Werte im Umgang mit allen anderen bestellt ist: allzu oft geht es im Personalmanagement von Führungskräften nicht um den Schutz „ganz normaler“ Mitarbeiter, sondern um das Verstecken eigener Unzulänglichkeiten hinter dem Vorhang der Bedürfnisse einer imaginierten Mittelmäßigkeit.

Führungskräfte müssen ehrlicher sein

Für besonders Begabte muss Unternehmenskultur auf Vertrauen, Fachkenntnis und respektvollem Umgang unter Kollegen basieren. Dies gilt potenziert für die Zusammenarbeit mit dem Vorgesetzten, die eine der wichtigsten Grundlagen entweder für die Zufriedenheit oder für den Wunsch nach einem beruflichen Wechsel unter Talenten darstellt. Trotzdem gibt es global betrachtet immer noch kaum Trainings für Führungskräfte, die das Verhältnis und die Entwicklung der eigenen High Performer zum zentralen und regelmäßigen Bestandteil der Führungsaufgaben machen. Dabei sind große arbeitskulturelle und durchaus auch signifikante ökonomische Gewinne durch solche Herangehensweisen nachweisbar: Vielfach generiert ein affirmierender Umgang mit Mitarbeitern, die sowohl über Expertise als auch über Sozial- kompetenz verfügen, den entscheidenden Vorsprung gegenüber Mitbewerbern. Dies gilt in Krisensituationen ebenso wie im alltäglichen Geschäftsbetrieb: Die Faktoren heißen Problembewusstsein, Lösungskompetenz und skalierbare Innovation und finden ihre Notwendigkeit in jedem wachstumsorientierten Geschäftsmodell.

Innovationsfeindliches Konzept: Misstrauen an potenziell herausragenden Leistungen

Bedenken gibt es in deutschen Führungsriegen dennoch viele, die Leistung der Besten anzuerkennen und diese engagiert zu fördern. Man fragt sich hierzulande zum Beispiel, ob die Masse der Beschäftigten empfindlich auf eine verstärkte Talentförderung reagieren könnte. Hier wirkt das für nachhaltigen, wirtschaftlichen Erfolg wenig weitsichtige Argument, dass die entsprechenden Mitarbeiter doch schon besonders gut seien und deshalb keiner besonderen Förderung bedürften. In Deutschland wabert zudem der historisch problematisch konnotierte Begriff „Elite“ durch den Raum und behindert eine positive Entwicklung. Im Ausland wird dies übrigens teils mit Unverständnis kommentiert: Dort stellt man sich die Frage, weshalb man die eigenen Ziele gerade an den Mindestanforderungen ausrichten sollte. Artifizielle Gleich- macherei bedeutet im Führungskontext, potenziell herausragenden Leistungen von Anfang an zu misstrauen – ein innovationsfeindliches, besonders in Zeiten der Digitalisierung der Arbeitswelt, Industrie 4.0 und zunehmendem globalem Wettbewerb äußerst risikoreiches Konzept.

Eine der größten Gefahren für die Zufriedenheit hochtalentierter Arbeitnehmer – unabhängig davon, ob diese eine Experten- oder Führungslaufbahn verfolgen – entsteht also durch das Verhalten ihrer unmittelbaren Vorgesetzten. Von deren Führungsaufgaben bleibt in der direkten Zusammenarbeit mit intellektuell und sozial hochkompetenten „Genies“ allerdings auf den ersten Blick auch nicht mehr viel übrig: Beispielsweise entsteht eine Makroperspektive auf Firmenstrukturen bei talentierten Menschen durch spielerische, aber eingehende analytische Betrachtung meist ganz von allein. Durch Seniorität erworbene Autorität wird oft grund- sätzlich angezweifelt, insbesondere dann, wenn sie nicht hinreichend auch durch fachliche oder zumindest soziale Kompetenzen gerechtfertigt ist. Einige Vorteile bleiben Führungskräften jedoch scheinbar bestehen: in manchen Unternehmen weisen nach wie vor Chefs Mitarbeitern die Arbeit zu und vielfach verfügen Führungskräfte über Kontakte zu den wichtigsten Ansprechpartnern und Ressourcen. Gerade diese Vorteile gilt es jedoch geplant und strukturiert einzusetzen, möchte man sich die Zufriedenheit seiner besten Mitarbeiter erhalten.

Grundsätzlich bleiben fähigen Führungskräften damit zwei produktive Wege, um besonders talentierte Mitarbeiter zu halten. Der erste ist der, zumindest ebenso talentiert und engagiert zu sein, wie es die eigenen, hochkompetenten Mitarbeiter sind. Sollte kein extremer Vorsprung in den intellektuellen Leistungsfähigkeiten gegeben sein, ist dies nur durch konstante Weiterbildung, ausgeprägtes Fingerspitzengefühl und intrinsisch motivierte Bereitschaft zu Veränderung und Lernen möglich. Auf diese Weise können begabte Mitarbeiter einen Ansporn für jede Führungskraft bieten, sich selbst immer wieder zu hinterfragen und auf diese Weise den eigenen Anspruch – nämlich den auf Entscheidungskompetenz in wichtigen Fragen – durch eigene Entwicklung zu untermauern. Diskussionen können so auf Augenhöhe geführt werden. Die zweite Möglichkeit ist die einer sozial orientierten Führung, die kompetent auf die emotionalen Bedürfnisse begabter Menschen eingeht und versucht, deren Streben und Ideen mit den gegebenen Mitteln bedarfsgerecht zu unterstützen. Versuche dagegen, intelligentere Personen zu unterdrücken, sie allen anderen gleich zu machen oder sich im Zweifel autoritär mit der eigenen über die bessere Lösung hinwegzusetzen führen dagegen regelmäßig zum Weggang der besten Talente, sofern diese eine Wahl haben. Unter dem Eindruck der demographischen Entwicklung ist klar: Führungskräfte können sich einen unangemessenen Umgang mit ihren Begabten nicht mehr leisten.



Kommentare

  1. / von Uwe

    Schau mal – ein interessanter Artikel…

    VG Uwe

  2. / von Blog | Creating Corporate Cultures | Kompromisslos zur Nr. 1 – Die Wirtschaft im „Zeitalter der Unternehmenskriege“? - Blog | Creating Corporate Cultures

    […] im Kampf um die Spitzenkräfte! Nicht zu verwechseln mit einem „War for Talents“. Denn Talente gibt es viele. Unternehmen suchen aber Performer – und das sowohl für Spitzen-Jobs in den Führungsetagen als […]

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