„Flexibilität zahlt sich aus“ oder warum variable Ausbildungsvergütungen Verzerrungen auf dem Ausbildungsmarkt verhindern

(Ausbildung ökonomisch betrachtet Teil 5/7)

Duale Ausbildungsmodelle sind international gefragt. Insbesondere Länder mit hoher Jugendarbeitslosigkeit streben danach, ihre beruflichen Ausbildungssysteme praxisnäher zu gestalten, um die Übergänge junger Menschen in den Arbeitsmarkt zu verbessern. Als große Hürde bei der Einführung von dualen Ausbildungsmodellen in Ländern ohne diese Tradition erweist sich dabei die Beteiligung von Unternehmen. Denn ein Staat kann zwar Gesetze erlassen und Rahmenbedingungen schaffen, aber ohne die – freiwillige! – Beteiligung von Betrieben gibt es keine duale Ausbildung. Diese sehen jedoch oftmals nur den Kostenfaktor.

Die Bildungsökonomen Prof. Dr. Stefan C. Wolter und Prof. Dr. Samuel Mühlemann haben deshalb in den vergangenen Jahren in verschiedenen Ländern empirische Daten rund um das Kosten-Nutzen-Verhältnis erhoben und zudem Kosten-Nutzen-Simulationen durchgeführt, um herauszufinden, unter welchen Bedingungen duale Ausbildung eine Win-Win-Situation für Auszubildende und Betriebe darstellt. Dies ist der fünfte Teil einer Reihe von sieben Blogbeiträgen, in denen zentrale Erkenntnisse aus diesen Studien vorgestellt werden.

Lektion 5: Variable Ausbildungsvergütungen verhindern Verzerrungen auf dem Ausbildungsmarkt

Die Ausbildungsvergütung ist im Vergleich der einzelnen Bestandteile der betrieblichen Ausbildungskosten der höchste Faktor. So machen die Ausbildungsvergütungen in der Schweiz in der Regel zwischen 40 und 50 % der Bruttokosten der Ausbildung für den Betrieb aus. Es ist daher nicht verwunderlich, dass die Höhe der Löhne eine der wichtigsten Fragen bei der Analyse von Kosten und Nutzen der betrieblichen Ausbildung ist.

Aus Sicht von Betrieben wäre es am besten, wenn die Höhe der Ausbildungsvergütung in Abhängigkeit von den verbleibenden Kosten und Nutzen gestaltet werden könnte. Damit ließe sich über die Höhe der Ausbildungsvergütung entweder sicherstellen, dass Betriebe am Ende der Ausbildungsdauer einen Nettogewinn erzielen oder dass den Betrieben ein vertretbares Maß an Nettokosten entsteht, die durch die Beschäftigung des Ausbildungsabsolventen als Fachkraft nach der Ausbildung ausgeglichen werden kann.

Die auf diese Weise bestimmte Höhe der Ausbildungsvergütung wäre dann das ideale Lohnangebot aus Sicht des Betriebes an den potenziellen Auszubildenden. Ob das Ausbildungsverhältnis daraufhin tatsächlich zustande kommt oder nicht, hängt aber von der Situation auf dem Ausbildungsmarkt ab: Wenn es andere Betriebe gibt, die – unter sonst gleichen Bedingungen – eine höhere Vergütung zahlen, riskiert der einzelne Betrieb, überhaupt keine Auszubildenden zu finden.

In der Realität wird die Höhe der Ausbildungsvergütungen in vielen Ländern nicht nach Marktgesichtspunkten bestimmt, sondern entweder vom Staat festgelegt (z. B. Mindestlöhne für Jugendliche) oder zwischen den Sozialpartnern ausgehandelt. Dabei kann weder die Ausgangssituation eines einzelnen Betriebs noch die Frage berücksichtigt werden, ob das Gehalt des Auszubildenden durch den Wertschöpfungsbeitrag des Auszubildenden gerechtfertigt ist. Dieser exogene Fixlohn kann daher entweder viel zu niedrig sein, was den ausbildenden Betrieben einen großen Nettonutzen ermöglicht – sie verdienen also an ihrem Auszubildenden mehr als sie investieren – oder er kann zu hoch sein, was viele Betriebe von der Ausbildung abhalten wird.

Schließlich besteht auch die Möglichkeit, dass die Betriebe zwar ausbilden und die staatlich festgelegte Ausbildungsvergütung zahlen, jedoch an anderer Stelle versuchen, diesen Kostenfaktor zu kompensieren, indem sie Einsparungen vornehmen: Dies können die Ausgaben für Lehrmaterial sein oder auch eine Verringerung der Zeit, die ein Auszubildender üben kann und nicht produktiv in der Wertschöpfungskette eingesetzt ist. Beides kann sich negativ auf die Qualität der Ausbildung auswirken. Es besteht also die Gefahr, dass hohe Ausbildungsvergütungen gegen eine geringere Ausbildungsqualität „eingetauscht“ werden.

Neugierig geworden? Die ausführliche Fassung dieser und der anderen sechs Lektionen findet sich hier.

Lektion 1
Lektion 2
Lektion 3
Lektion 4
Lektion 5
Lektion 6
Lektion 7



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