Innovation fördern! – Wie digitale Technologien Praxisnähe und Kompetenzorientierung in der Weiterbildung sichern können.

In Zeiten des demographischen Wandels und eines parallel dazu steigenden Fachkräftebedarfs kann eine lebenslange Entwicklung beruflicher Kompetenzen nicht mehr die Ausnahme, sondern nur der Standard sein. Die regionale ebenso wie sektorale Fachkräftesicherung wird damit zu einer der zukünftigen Hauptaufgaben der Weiterbildung. Digitale Technologien können dazu beitragen, dass die Weiterbildung der Zukunft durch Praxisnähe und Kompetenzorientierung einen wertvollen Beitrag zur Fachkräfteentwicklung leistet. Welche Chancen und Risiken dabei bedacht werden sollten, zeigt der folgende Beitrag auf.

Damit Weiterbildung den Bedarf der Unternehmen nach Fachkräften optimal decken kann, muss sie praxisnah und kompetenzorientiert sein. Das bedeutet, dass sowohl die Weiterbildungsinhalte als auch die vermittelnden Lehrkräfte einen engen Bezug zur Arbeitswelt und den dort relevanten Aufgaben haben sollten. Nur so kann sichergestellt werden, dass die Lernenden nach Abschluss einer Weiterbildung praktisch-anwendbare Kompetenzen und nicht nur theoretisch-träges Wissen erworben haben.

Ob digitale Technologien zur Vermittlung praktisch anwendbarer Kompetenzen beitragen können, ist eine offene Frage. Blickt man zurück auf die vielen enttäuschten Hoffnungen, die vor ca. 10 Jahren in den Bereich „E-Learning“ gesetzt wurden, ist begründete Skepsis angebracht: So haben die damaligen „Innovationen“ weder zu einer grundlegenden Veränderung der Lehr- und Lernpraxis noch zu der erwarteten Bildungsexpansion geführt.

Chancen und Risiken digital-gestützter Weiterbildung: Potentiale der Individualisierung nutzen, ohne die soziale Dimension des Lernens zu vernachlässigen

Die größte Chance, die digitale Technologien für die Weiterbildung eröffnen, ist sicher die einer Individualisierung des Lernens. Praxisnahes, kompetenzorientiertes Lernen setzt individualisierte Bildungsangebote geradezu voraus. Am Beispiel innerbetrieblichen Lernens, lässt sich dies gut aufzeigen: Im Arbeitsalltag können an den unterschiedlichsten Stellen Herausforderungen auftreten, die nur durch das Erlernen neuen Wissens und neuer Fertigkeiten zu bewältigen sind. Gleichzeitig ist der Bedarf an Wissen und Fertigkeiten je nach Mitarbeiter unterschiedlich – es kann damit keine Einheitslösung einer Weiterbildung für jede Situation und jeden Mitarbeiter geben. Vielmehr müssen Lerninhalte bereitgestellt werden, wenn sie praktisch relevant werden und damit auch eine konkrete Motivation des Lernenden besteht, sich mit ihnen auseinanderzusetzen.

Idealerweise lassen sich Bildungsangebote in Zukunft also nicht nur raum-zeitlich flexibel bereitstellen, sondern sie sind darüber hinaus auf die Bedürfnisse unterschiedlicher Lerntypen sowie auf verschiedene Kompetenzniveaus adaptierbar. Insbesondere adaptive Lernsysteme – wie sie sich aktuell an verschiedenen Stellen in Entwicklung befinden – könnten in Zukunft einen Beitrag dazu leisten, dass solche Bildungsangebote Realität werden.

Ein bedeutendes Risiko des unüberlegten Einsatzes digitaler Technologien in der Weiterbildung liegt im Verlust des sozialen Aspekts des Lernens. Praxisnahes, kompetenzorientiertes Lernen findet in den seltensten Fällen exklusiv statt, sondern ist zumeist eingebettet in gemeinsame Aktivitäten: Menschen lernen dadurch, dass sie zusammen mit anderen Aufgaben bewältigen und Probleme lösen. Eine falsch verstandene Individualisierung des Lernens könnte zu weniger Austausch und damit zu weniger Anregungen führen, von denen gerade das non-formelle und informelle Lernen – nicht nur in Unternehmen – leben.

Herausforderungen digital-gestützter Weiterbildung: Es gilt technologische Innovationen nah am Bedarf der Nutzer zu entwickeln und einzusetzen

Die zentrale Herausforderung bei der Entwicklung digital-gestützter Weiterbildung ist es also, die vorhandenen Technologien so einzusetzen, dass sie Bildungsprozesse optimal unterstützen und nicht behindern. Dies ist der Fall, wenn sich der Technologieeinsatz den Bedürfnissen der Lernenden ebenso wie der Lehrenden anpasst, nicht aber wenn verfügbare Technologien unbedacht in der Weiterbildung verwendet werden. (LEARNTEC 1/3 Richtungswechsel beim adaptiven Lernen: Lernsysteme sollten sich nicht nur dem Nutzer anpassen – sondern auch vom Nutzer selbst angepasst werden können!) Nur so lässt sich auf lange Sicht praxisnahes, kompetenzorientiertes Lernen hoher Qualität in digitaler Form etablieren. Zu bedenken ist dabei, dass Lernen in diesem Sinne auch bedeutet, trotz möglicher Rückschläge an der Erreichung eines Lernziels festzuhalten. Gerade jüngere Trends im Bereich digitalen Lernens – wie etwa Gamification – versuchen demgegenüber Lernformen zu schaffen, in denen Niederlagen nicht mehr vorkommen. Inwiefern solche störungsfreien Lernsettings sinnvoll zur Kompetenzentwicklung – insbesondere im innerbetrieblichen Bereich – eingesetzt werden können, muss sich noch zeigen.

Um die Entwicklung und Etablierung einer praxisnahen, kompetenzorientierten Weiterbildung zu fördern, gilt es einen strukturierten Dialog zwischen Politik, empirischer Bildungsforschung, Weiterbildungsanbietern und Unternehmen zu organisieren. Dessen Ziel sollte es sein, mit Blick auf die Bedürfnisse der Lernenden auszuloten, welche Formen digital-gestützter Weiterbildung zielführend sowie marktfähig sind. Die Politik sollte hier eine Vordenkerrolle einnehmen, indem sie basierend auf Erkenntnissen zum Nutzerbedarf in Schlüsseltechnologien investiert, auf denen zukunftsfähige Lernformen aufbauen können. Die Entwicklung von digitalen Lernmedien muss auch deshalb durch die öffentliche Hand gefördert werden, da die Weiterbildungsanbieter selbst nicht die Ressourcen haben, technologische Innovationen für die Weiterbildung anzustoßen. Sinnvollerweise sollten öffentlich geförderte Projektergebnisse wie z.B. Prototypen nach Projektende der Allgemeinheit unter einer open source Lizensierung zur Verfügung gestellt werden, damit andere Interessierte diese weiter nutzen und weiter entwickeln können. So ließe sich eine nachhaltigere Nutzung und Verbreitung sicherstellen, als dies bei der gegenwärtigen Projektförderung der Fall ist.

Weiterbildung praxisnah und kompetenzorientiert über alle Zielgruppen hinweg voranbringen: Können digitale Technologien zur Verbesserung der Weiterbildungsinfrastruktur beitragen?

Erfreulicherweise lässt sich gegenwärtig ein Paradigmenwechsel im Weiterbildungsdiskurs erkennen, der Praxisnähe und Kompetenzorientierung – als Eckpfeiler guter Bildungsangebote – zunehmend ins Zentrum rückt. Die hohe mediale Präsenz beider Themen hat allerdings noch nicht zu einer förderpolitischen Priorisierung beider Themen – weder auf Ebene der Förderung nutzerorientierter, technischer Innovationen noch auf Ebene der Förderung individueller Weiterbildung – geführt. So ist das Fortbildungs Bafög bis dato die einzige Form der Förderung von Weiterbildung, welche eine praxisnahe Kompetenzentwicklung von Fachkräften unterstützt. Die meisten anderen Fördermaßnahmen, wie z.B. WeGeBau und IFLAS, stellen weniger die Fachkräfteentwicklung als vielmehr die Reintegration benachteiligter Zielgruppen in den Arbeitsmarkt ins Zentrum. In der Gesamtschau ist die Förderung von Weiterbildung damit weniger eine Unterstützung berufsbezogener Kompetenzentwicklung, als vielmehr eine Förderung die versucht soziale Ungleichheiten auszugleichen.

Insgesamt wäre auf beiden Ebenen eine ausgeglichene Förderung, die Benachteiligten ebenso wie Leistungsträgern nutzt, zu bevorzugen. Möglich wäre dies etwa durch eine Förderung flankierender infrastruktureller Angebote zur Weiterbildung wie z.B. der Bildungsberatung. Gerade ihr kommt im Bildungsprozess eine Schlüsselrolle zu, da sie entlang der Fragen „Was sind geeignete Weiterbildungsmaßnahmen“ und „Wo finde ich eine geeignete Weiterbildung“ eine Orientierungs- und Leitfunktion übernimmt. Gute Weiterbildung – digital oder analog – ist mithin ohne gute Beratung nicht denkbar, denn es gilt die großen Lebensentscheidungen professionell vorzubereiten. Gerade bei Investitionen größerer Reichweite in infrastrukturelle Maßnahmen zur Weiterbildung – wie z.B. die Bildungsberatung – könnte digitalen Technologien in Zukunft eine bedeutende Rolle zukommen. Wie diese aussehen könnte und welche Folgen die Digitalisierung für die Weiterbildungslandschaft dabei haben wird, sind offene Fragen deren Diskussion Politik, Wissenschaft, Bildungsanbieter und Bildungsnutzer baldmöglichst diskutieren sollten.

 



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