Ein kleiner Ort auf dem Land.
Luftaufnahme eines kleinen, ländlichen Ortes, der von Feldern umgeben wird.
Förderprogramme

Smarte LandRegionen: Landkreise verwandeln sich in digitale Ökosysteme

Das Förderprojekt Smarte LandRegionen rückt Landkreise in den Fokus: Dort sollen digitale Ökosysteme entstehen, damit Gemeinwohlaufgaben leichter erledigt werden und die Attraktivität der Region für Bürger*innen steigt. Denn jetzt ist die richtige Zeit, um die Räume außerhalb der Großstädte zu stärken.

Die ländlichen Räume sind als Lebensmittelpunkt für Arbeit und Familie weiterhin unschlagbar, was auch viele aktuelle Studien zeigen. Außerdem führen sowohl digitale Lösungen als auch globale Vernetzung dazu, dass der physische Standort an Bedeutung verliert und in diesem Zuge zumindest theoretisch auch Ballungszentren an Anziehungskraft (nach den Partyjahren der Studierendenzeit) einbüßen könnten.

Dazu kommt eine immer deutlichere Überforderung der Großstädte, die durch Verkehr, Umwelt- und Stressbelastungen und Segregations-Entwicklungen unmittelbar und schädigend in das Leben der Menschen eingreift. Dies ist die aktuelle Chance für attraktive ländliche Räume: Digitalisierung als wesentlichen Standortfaktor zu nutzen und sich hier klar mit den Vorteilen der ländlichen Region zu positionieren.

Landkreise als Ökosystem im Fokus

Herausfordernd ist bei digitalen Lösungen in den ländlichen Räumen aber nach wie vor der nachhaltige Betrieb oder auch das Geschäftsmodell. Daher ist es insbesondere im Rahmen der Daseinsvorsorge und was wir gemeinhin unter sozialen Innovationen verstehen unserer Ansicht nach notwendig, über Konstrukte wie digitale Ökosysteme nachzudenken und diese zu erforschen. In den Smarten LandRegionen steht hier erstmals insbesondere die Rolle der Landkreise in einem solchen Ökosystem im Kern des Interesses.

Trotz dieser Herausforderungen ist es unbestritten, dass gerade auf dem Land digitale Lösungen sehr vielversprechend sind, wenn es zum Beispiel darum geht, Distanzen zu überbrücken oder Prozesse effizienter und effektiver zu unterstützen. Beispielsweise liegen im Gesundheitsbereich die Vorteile einer durchgehenden Vernetzung auf der Hand. Es gibt bereits an vielen Stellen erfolgreiche Pilotanwendungen mit vernetzten Systemen von Sensoren über die Videoberatung bis zu den Abrechnungssystemen, die die medizinische Betreuung und Behandlung selbst über weite Distanzen ermöglichen.

Digitale Dienste als Standortfaktor

Das Fraunhofer IESE entwickelt bereits seit 2015 zumeist in Forschungsprojekten gemeinsam mit Kommunen und Partnern digitale Lösungen für Alltagsprobleme in den ländlichen Regionen. Aus unserer Erfahrung können wir unterstreichen, dass die Digitalisierung und damit insbesondere auch die Verfügbarkeit von digitalen Lösungen einer von vielen Standortfaktoren für den ländlichen Raum ist. Die Zukunftsfähigkeit einer Region lässt sich jedoch nicht an der Dicke der Datenkabel oder Onlinemarktplätzen allein messen. Hier müssen viele Faktoren zusammenpassen und sich auch die richtigen motivierten Menschen finden.

Bundesweit erkennen dieses Potenzial mittlerweile sehr viele Kommunen und sie wollen entweder auf eigene Faust oder mithilfe von passenden Förderprogrammen die fortschreitende Digitalisierung und Vernetzung für ihre eigene Zukunftsstrategie nutzbar machen. Doch unserer Erfahrung nach fehlt häufig eine konkrete Umsetzungsidee, das Personal und Know-how, um direkt und sinnvoll zu starten.

Open Source Pilot-Plattform für Landkreise geplant

Das Modellvorhaben Smarte LandRegionen ist im Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft im Bundesprogramm Ländliche Entwicklung (BULE) angesiedelt. Eines der wesentlichen Ziele ist die Entwicklung, Erforschung und Erprobung einer öffentlichen digitalen Infrastruktur, wodurch ländlich geprägte Landkreise ihre Gemeinwohlaufgaben besser wahrnehmen können. Das soll durch die Entwicklung einer verbreiteten Open Source Pilot-Plattform samt der hierfür erforderlichen digitalen Anwendungen zur Unterstützung der öffentlichen Aufgaben der ländlichen Landkreise im Bereich der Daseinsvorsorge geschehen. Darüber hinaus soll deren Übertragbarkeit auf andere Landkreise im Laufe des Modellvorhabens sichergestellt werden.

Besonderheit und Modellhaftigkeit dieses Modellvorhabens liegen in der iterativen Erarbeitung und Entwicklung der digitalen Lösungen mit den ausgewählten Landkreisen. Die Gestaltung dieser digitalen Infrastruktur mit dem Fokus auf ländliche Räume ist in dieser Form bisher nicht erforscht oder gar umgesetzt worden. So sollen digitale Lösungen mit und für Landkreisverwaltungen und Bürgerinnen und Bürger erforscht, entwickelt und erprobt werden, die den Alltag der Menschen in ländlichen Räumen verbessern.

Im Mittelpunkt stehen digitale Dienste zur Unterstützung der Landkreise bei der Erfüllung ihrer spezifischen öffentlichen Aufgaben inklusive der allgemeinen Daseinsvorsorge. Hierzu gehören beispielsweise die Unterhaltung von Bildungs- und Kultureinrichtungen wie allgemeinbildende Schulen, Volkshoch- und Musikschulen, die Beseitigung und Verwertung von häuslichem Abfall, die Sicherstellung des öffentlichen Personennahverkehrs, die Jugendhilfe, das Ausländerwesen und der Katastrophen- und Zivilschutz. Darüber hinaus sind Anwendungsbeispiele in sämtlichen Gebieten der Daseinsvorsorge möglich, sofern der Nutzen für die Bürger*innen im Landkreis klar ersichtlich ist.

Nachhaltig und übertragbar auf andere Landkreise

Eine weitere Besonderheit des Modellvorhabens Smarte LandRegionen ist, dass die geförderten Landkreise gemeinsam an einem zukunftsfähigen digitalen Ökosystem arbeiten und dieses erproben. Es wird somit ein besonderes Augenmerk daraufgelegt, dass die entwickelten Lösungen auf andere Landkreise übertragbar sind, aber auch nachhaltig über die Projektlaufzeit hinaus betrieben werden können.

Darüber hinaus erhält der Landkreis neben der reinen Förderung (dunkelgrüner Kreis) eine Vielzahl von zusätzlichen Leistungen (alle übrigen Kreise), mit dem Ziel die Region als Ganzes digital weiterzuentwickeln. So hat man auf der einen Seite die Chance der bundesweiten Vernetzung und davon gegenseitig zu profitieren. Auf der anderen Seite werden die regionalen Projekte durch lokale Akteure durchgeführt und umfassend organisatorisch und wissenschaftlich begleitet.

Die Modellregionen stehen im Zentrum der Smarten LandRegionen.

Die Modellregionen stehen im Zentrum der Smarten LandRegionen. Grafik: BLE

Letztendlich handelt es sich auch um ein Forschungsprojekt, bei dem wir unter anderem herausfinden wollen:

  • Wie genau die „technische Schnittmenge“ der Lösungen im digitalen Ökosystem zwischen den Landkreisen ist
  • Wie hoch der prozentuale Anteil der „Landkreiseigenen DNA“ ist, sprich der eigene Charakter gewahrt bleibt.
  • Ist eine solche gebietsübergreifende Zusammenarbeit überhaupt möglich?
  • Welche Rolle spielt der Landkreis in einem künftigen digitalen Ökosystem?
  • Welche Rolle spielen die regionalen Akteure?

Aus Sicht des Forschungsprojektes wäre es wünschenswert, dass die digitale Plattform und die zugehörigen Dienste schnellstmöglich auch anderen Landkreise zugänglich gemacht werden und auch Nutzung finden. Für uns sind also Erfolgskriterien, ob wir übergreifende Ergebnisse haben, die mehrere Landkreise umfassen:

  • Haben alle Landkreise das digitale Ökosystem eingeführt?
  • Wie viele Dienste sind entstanden, deren technische Basis im Wesentlichen identisch ist, die aber trotzdem die DNA der jeweiligen Landkreise enthalten?
  • Gibt es bereits nicht geförderte Landkreise, die die Ergebnisse (Erkenntnisse oder konkrete Dienste) aus dem Modellvorhaben nutzen?
  • Führen die offenen Schnittstellen im System dazu, dass auch regionale Akteure sich integrieren können?

Wenn wir direkt auf einen Landkreis blicken, so erwarten wir, dass es eine starke Bürgerbeteiligung bei der Dienstentwicklung gibt und dass es eine transparente Erarbeitung und schnelle Umsetzung von konkreten Maßnahmen einer Digitalisierungsstrategie des Landkreises gibt. Außerdem erhoffen wir uns, eine organisatorische Weiterentwicklung der ausgewählten Modell-Landkreise zu erarbeiten. Vereinzelt haben sich Landkreise in Deutschland schon auf diesen Weg gemacht und Strukturen bzw. Prozesse umgestellt, dedizierte Verantwortlichkeiten geschaffen etc. Aus den Smarten LandRegionen sollen hier nicht nur umsetzbare Strategien entstehen, sondern es soll vor allem auch der Weg zu einer erfolgreichen Digitalisierung im Landkreis sichtbar gemacht werden.

Weitere Informationen zu den Smarten Landregionen und dem Förderprojekt.

Titelfoto: Crew/unsplash, Unsplash license

Dieser Artikel ist lizenziert unter einer Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz.


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Kommentar schreiben

  • Olaf Gerd Gemein wrote on 13.04.2020

    Wann startet die „Entwicklung einer verbreiteten Open Source Pilot-Plattform samt der hierfür erforderlichen digitalen Anwendungen zur Unterstützung der öffentlichen Aufgaben der ländlichen Landkreise im Bereich der Daseinsvorsorge“. Kann man da mehr erfahren?