Betriebliches Gesundheitsmanagement

Betriebliches Gesundheitsmanagement: Missglückt!

…. mit psychologischen Strategien aus dem Leistungs- und Gesundheitssport zum nachhaltigen Betrieblichen Gesundheitsmanagement

Betriebliches Gesundheitsmanagement – kurz BGM: Ein komplexes Managementkonzept im Gewand eines Kürzels und damit zum nachhaltigen Erfolg – wie geht das? Betriebliches Gesundheitsmanagement ist in vieler Munde und wird zunehmend gefordert. Der Erfolg ist kein Selbstläufer, die Nachhaltigkeit schon gar nicht. Missglücktes BGM wird augenscheinlich genauso wenig betrachtet, wie daraus gelernt. Mit einem Perspektivenwechsel kann Scheitern nicht nur als warnendes Beispiel wirken, sondern auch als Etappe auf dem Weg zum erfolgreichen BGM betrachtet werden. Psychologische Strategien aus dem Leistungs- und Gesundheitssport helfen dabei sowohl den richtigen Weg zu finden als ihn auch erfolgreich zu gehen.

Zur – menschlichen – Ausgangssituation

Freuen geht immer, Wünsche gibt es viele und auch die Ziele sind oftmals klar. Menschen haben Lust auf das Schöne, das Erfreuliche, das Gute, das Bereichernde … und Menschen haben mehr Lust auf Sonne als auf Regen und mehr Lust zu gewinnen als zu verlieren. Doch die Fakten:

  • Die Deutschen haben im Schnitt 30 Tage Urlaub und arbeiten im Schnitt 220 Tage im Jahr.
  • Die Deutschen arbeiten im Schnitt fünf Tage in der Woche und haben im Schnitt zwei Tage Wochenende.

Der Mensch fokussiert sich evolutionsbedingt mehr auf Gefahren als auf den Genuss des Sonnenaufgangs. Und: Olympiateilnehmer trainieren vier Jahre lang, um u. a. bei den Spielen nach 100 m und in 9,58 sek fertig zu sein – da ist viel Schatten bei kurzer Sonne. Es geht um die Einstellung zum Leben und die Art, wie wir leben. Und: Es geht um Wirksamkeit und damit um die Beachtung des Weges hin zum Ziel. Das soll vorliegend aus sportpsychologischer Sicht betrachtet und auf das Themenfeld „BGM“ transferiert werden – bei aller Vorsicht, was den Transfer der Gesetze aus dem Sport in die Wirtschaft angeht. Denn: Im Leistungssport dürften sowohl die Rahmenbedingungen als auch die Persönlichkeitsmerkmale der Sportler andere sein als im beruflichen Alltag.

Stichwort „Rahmenbedingungen“: Die meisten Unternehmen stehen bei ihren Aktionen nicht so unter Beobachtungen wie der Sportler.

Stichwort „Persönlichkeitsmerkmale“:

  • Welche Führungskraft rastet so aus bei Fehlentscheidungen von Entscheidungsträgern beispielsweise der Schiedsrichter wie der Trainer Jürgen Klopp?
  • Wo stehen Kunden und Mitarbeiter so nah Seite an Seite und singen gemeinsam „you never walk alone“?
  • Welcher Beamte würde weinen, weil er verletzt aus dem Büro getragen wird und damit die Buchhaltungsaufgaben für den Tag nicht finalisiert?
„Ein Fisch spürt erst dann, dass er Wasser zum Leben braucht, wenn er im Netz zappelt“ (Hofstede)
These 1: Missglücktes BGM … da keine attraktive Vision.

Jeder Sportler wird durch ein attraktives Zukunftsbild in Form einer Vision angezogen und nicht dorthin gedrückt. In dieser Vision spiegeln sich nicht nur die Werte wider, sondern auch, was der Sportler wirklich will. Gleichzeitig ist im Sport klar, worum es geht: Es geht um das Gewinnen – und das wird extern auch so kommuniziert, weil es intern so visualisiert ist. Abschließend kommt es zu einer eindeutigen Zieldefinition mit Inhalt, Ausmaß und Zeit.

Transferfragen:

  • Gibt es eine klare Vision für das BGM?
  • Wird extern das kommuniziert (an die Mitarbeiter), worum es intern beim BGM geht (Beschluss durch Geschäftsführung)?
  • Ist das Ziel „Nachhaltigkeit von BGM“ messbar gemacht?
  • Gilt in dem Projekt BGM – wie im Sport – mehr das Pull- als das Push-Prinzip?
These 2: Missglücktes BGM … weil die Wertekonformität nicht gegeben ist.

Sportler lieben was sie tun – Grundlage für ihre Qual und damit Qualität. Damit sind sie wertekonform und gleichzeitig intrinsisch motiviert. Die angesprochene Authentizität durch Wertedeckung muss gegeben sein, damit u. a. das gesagt wird, was gemeint ist. Die zahlreichen zu treffenden Entscheidungen stellen immer eine Werteklärung dar und gleichzeitig verhindern Wertekonflikte nicht nur Entscheidungen, sondern auch die dann abzulaufenden Prozesse.

Transferfrage also:

  • Passen die Werte im BGM zusammen: Sowohl weil es eingeführt und noch viel mehr, weshalb es nachhaltig aufrechterhalten werden soll?
  • Wird die Einführung von BGM als ehrlich erlebt?
  • Werden mögliche konkurrierende Werte nachhaltig aufgelöst?

Das Problem bei aller Motivation und Wertekonformität ist jedoch: Was passiert eigentlich, wenn was bei der Motivation dazwischen kommt oder ein Wertekonflikt auftritt? Daher These 3:

These 3: Missglücktes BGM … weil der Wille fehlt.

Der Wille stellt eine Weiterentwicklung der Motivationsforschung dar. Es ist der Wille, der aus Worten schließlich Taten macht und bewirkt, dass Wissensriesen nicht zu Umsetzungszwergen degenerieren.

Motivation bedeutet „Ja sagen“: Was brauche ich, damit es sich gut anfühlt. Motivation ist das Aktivieren. Volition – der Wille – ist hingegen das „Nein sagen“: Es umfasst damit die Fähigkeit, (auch) aufzuhören, obwohl es sich gut anfühlt. Volition ist das Praktizieren. Neben dieser qualitativen Unterscheidung schafft der Wille auch einen entscheidenden Mehrwert: Er ermöglicht uns das Erkennen und den Umgang mit Barrieren und beinhaltet Umgangsstrategien mit dem Nicht-Wollen.

Transfer BGM: „Was verhindert BGM?“ Antwort: Barrieren und weil diese nicht beachtet werden! Erfolgreiches BGM braucht Menschen, die gegen Windmühlen kämpfen, bereit sind, sich blutige Nasen zu holen und am besten vor Ort sind, um BGM mit Willen begleitend zu implementieren.

Fazit: Es sind weniger die attraktiven Ziele selbst als vielmehr die Barrieren, die uns daran hindern, die Ziele zu erreichen – auch und gerade im BGM – und das in zahlreichen Facetten, z. B.:

  • Kein klares und kein wirkliches Ziel und/oder kein Ziel, mit dem sich die Mitarbeiter identifizieren können.
  • Keine Wertekonformität, was zur mangelhaften Priorität für das BGM-Projekt führt.
  • Der „innere Schweinehund“ und die „Macht von Gewohnheiten“ als klassische Barrieren.
  • Defizitäre Kausalität: Falsche Maßnahmen für das Ziel oder Maßnahmen für ein falsches Ziel.

Sportpsychologische Strategien aus dem Leistungs- und Gesundheitssport können hier – wie aufgezeigt – als wirksame Strategien genauso in ihrer Anwendung diskutiert werden, wie die im Sport vorzufindenden Kommunikationsstrategien. Denn: Kann es sein, dass BGM missglückt, weil das „Baby BGM“ vielleicht falsch benannt wird. Denn: Wer würde „sein Baby“ BGM nennen?

BGM braucht damit und hat vor allem Folgendes verdient:

  • Ehrlichkeit, dass Unternehmen etwas für ihre Gesundheit machen müssen.
  • Vertrauen, dass hinter BGM eine positive Absicht steht.
  • Mut, gegen die Windmühlen zur Einführung und Aufrechterhaltung von BGM anzukämpfen.
  • Zuversicht, dass BGM nachhaltig eine win-win-Situation für alle Beteiligten schafft.


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