Vier Jugendliche Arm in Arm, die in einem Kornfeld stehen und in die Weite blicken, von hinten fotographiert

Social Impact Bonds in der Kinder- und Jugendhilfe – Zulässigkeit und Bedingungen

Mit Modellen zur komplementären Finanzierung von sozialen Dienstleistungen (wie z.B. „Social Impact Bonds“) können Maßnahmen zur Unterstützung von jungen Menschen und Familien realisiert werden. Rechtlich spricht nichts dagegen, wenn Träger der freien Jugendhilfe private Mittel für die Erbringung ihrer Leistungen einbeziehen – sofern den Sozialleistungsberechtigten keine Nachteile, sondern nur Vorteile entstehen, und sozialrechtliche Vorgaben nicht umgangen werden. Dies ist das Ergebnis eines Gutachtens von Dr. Thomas Meysen (SOCLES International Centre for Socio-Legal Studies gGmbH) im Auftrag der Bertelsmann Stiftung.

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Mehr Mittel für faire Chancen junger Menschen

Beim Kampf für faire Chancen junger Menschen geht es unter anderem um die Frage, wie finanzielle Ressourcen zu mobilisieren sind, die komplementär zu staatlichen Mitteln eingesetzt werden können. Denn selbst im gut ausgebauten deutschen Sozialstaat fehlt oftmals das Geld für Prävention, Innovation und für die Skalierung wirkungsvoller Maßnahmen. Erfreulicherweise wächst seit einigen Jahren unter dem Stichwort „Impact Investing“ das Interesse von sozialen Förderern, sowohl finanzielle Renditen als auch soziale Wirkungen zu erzielen.

Im Rahmen des Projektes „Impact Investing: Mehr Chancen für junge Menschen“ der Bertelsmann Stiftung wurde deshalb 2017 gemeinsam mit dem Landkreis Osnabrück (LKOS) der Social Impact Bond (dt. soziale Wirkungspartnerschaft) „Stärkung von Prävention in den Hilfen zur Erziehung“ gestartet. Gemeinsam mit weiteren Partnern hat sich der LKOS zum Ziel gesetzt, Familien mit Unterstützungsbedarf durch das präventive Elterntraining Triple P in ihren Erziehungsfertigkeiten zu schulen und damit den Familien schneller und passgenauer zu helfen. Die Maßnahme wird mit Mitteln des sozialen Förderers, der Sparkasse Bersenbrück, vorfinanziert. Je nachdem inwieweit das gemeinsame Wirkungsziel erreicht wird, erfolgt eine Rückvergütung durch den LKOS an die Sparkasse.

Sozialrechtliche Einordnung von SIBs bestätigt Zulässigkeit

Social Impact Bonds sind ein neues Instrument im politischen, wirtschaftlichen, rechtlichen und gesellschaftlichen System der Bundesrepublik Deutschland. Mit dem Start des SIBs im Landkreis Osnabrück kamen deshalb Fragen zu möglichen Grenzen der rechtlichen Zulässigkeit dieses Finanzierungsmodells in der Kinder- und Jugendhilfe auf.

Dr. Thomas Meysen (SOCLES International Centre for Socio-Legal Studies gGmbH) kommt im Rahmen seiner sozialrechtlichen Einordnung zu dem Ergebnis, dass die Einbeziehung privater Mittel bei der Leistungserbringung durch die Träger der freien Jugendpflege im Grundsatz rechtlich zulässig ist.

Das Gutachten nennt jedoch eine Reihe von Bedingungen, die beim Einsatz von SIBs in jedem Fall einzuhalten sind:

Das Gutachten nennt jedoch eine Reihe von Bedingungen, die beim Einsatz von SIBs in jedem Fall einzuhalten sind:

Keine Begrenzung der Rechte

Grundsätzlich gilt, dass die Rechte der Sozialleistungsberechtigten nicht beschnitten werden dürfen; ihre Ansprüche und die Leistungspflichten des Jugendamts als Träger der öffentlichen Jugendhilfe müssen erfüllt werden. Ein SIB darf nicht zum Ziel haben, individuelle Rechte von Hilfeempfängern zu begrenzen oder den Umfang ihrer Unterstützung zu beschneiden. Das Jugendamt hat – nicht zuletzt im Rahmen der Hilfeplanung – Gewähr dafür zu übernehmen.

Nachteilsverbot

Den Leistungsempfängern dürfen durch die Inanspruchnahme von Sozialleistungen, die über einen SIB organisiert und finanziert sind, keine Nachteile, sondern nur Vorteile entstehen. Bei der Beurteilung, ob ein Nachteil vorliegt, ist die Gesamtsituation des Sozialleistungsberechtigten in den Blick zu nehmen.

Wunsch- und Wahlrecht

Zugleich muss das Wunsch- und Wahlrecht gewahrt bleiben, das den Leistungsberechtigten die Auswahl zwischen möglichst vielfältigen, weltanschaulich diversifizierten Angeboten ermöglicht. Leistungsberechtigte haben das Recht, zwischen Einrichtungen und Diensten verschiedener Träger zu wählen und Wünsche hinsichtlich der Gestaltung der Hilfe zu äußern. Das Jugendamt ist verpflichtet, sie auf dieses Recht hinzuweisen.

Bedarfsgerechte Angebote

Der Zugang zu den Angeboten muss sich an den Bedarfen der Adressaten orientieren. Je dringender ein Bedarf ist und je weitreichender die Folgen der Intervention für die Entwicklung junger Menschen oder deren familiäre Beziehungen ist, desto stärker muss die Kontrolle durch das Jugendamt ausfallen. Deshalb darf ein SIB keine Anreize auslösen, eher die vereinbarten Ziele zu erreichen und weniger die von den Leistungsempfängern erwünschten Hilfeerfolge. Bei Angeboten mit finanziellen Anreizsystemen besteht die Gefahr sogenannter „Creaming-Effekte“ (Bestenauslese), indem nur solche Zielgruppen für einen SIB ausgewählt werden, bei denen die Erfolgserwartung besonders hoch ist.

Transparentes Auswahlverfahren

Ob für die Auswahl der Träger der freien Jugendhilfe, die die Unterstützungsleistung für die Hilfebedürftigen durchführen, eine Ausschreibung nötig ist, ist individuell anhand der Ausgestaltung des konkreten Angebots vor Ort zu klären. In jedem Fall muss es ein transparentes Auswahlverfahrenmit Interessenbekundung geben.

Geeignete Leistungserbringer

Die Leistungserbringer müssen entsprechend den Bedarfen der Hilfeplanung für die erforderlichen Dienste geeignet sein – auch unter Berücksichtigung der Grundsätze der Leistungsfähigkeit, Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit.

Sorgfältige Mittelverwendung

Da bei einem SIB potenziell öffentliche Mittel eingesetzt werden, hat das Jugendamt die Pflicht, die zweckentsprechende Verwendung dieser Mittel zu überprüfen. Das Controlling kann dabei an einen Intermediär delegiert werden, wenn dieser die notwendige Zuverlässigkeit aufweist und sich zur Unterrichtung des Leistungsträgers bei Zweifeln an der ordnungsgemäßen Aufgabenerfüllung verpflichtet.

Umfassende Qualitätssicherung

Das Jugendamt hat nicht nur gegenüber dem Träger der freien Jugendhilfe auf die Einhaltung der Qualitätsanforderungen zu achten, sondern auch im Verhältnis zum Intermediär (bzw. unmittelbar zum sozialen Förderer) zu gewährleisten, dass dieser die zuvor vom Jugendamt geprüften Leistungsinhalte angemessen finanziert. Die Qualitätsentwicklung ist, bei entsprechender Ausgestaltung der Erfolgsbeurteilung, über die Evaluation bereits Bestandteil des SIB, hat aber die spezifischen Dimensionen der Kinder- und Jugendhilfe zu berücksichtigen. Die Evaluation muss so angelegt sein, dass eine beteiligungsorientierte Qualitätsentwicklung entsprechend den Vorgaben des Sozialgesetzbuches möglich ist. Der Träger der öffentlichen Jugendhilfe hat darauf zu achten, dass die Evaluation von einer Stelle oder Person durchgeführt wird, die ausreichend unabhängig ist von den Eigeninteressen der privaten Akteure im SIB und ggf. auch vom Träger der öffentlichen Jugendhilfe.

Die Vereinbarkeit von Angeboten im Rahmen eines SIBs mit dem Recht der Kinder- und Jugendhilfe ist stets im Einzelnen sorgfältig zu prüfen. Angesichts der großen Bereitschaft sozialer Förderer, junge Menschen zu unterstützen, ist es aber durchaus wünschenswert, dass die Machbarkeit von SIBs in diesem Feld weiter erforscht und durch Praxisbeispiele belegt wird. Genau dieser Aufgabe widmet sich das Projektteam von „Impact Investing: Mehr Chancen für junge Menschen“.