OUSA ist eine intersektionale Plattform für migrantische Perspektiven, die Illustration als Mittel für sozialen Wandel nutzt. Mit Online- und Offlineevents sollen das Bewusstsein für Ungleichheit und Diskriminierung geschärft und neue Formen der Zusammenarbeit geschaffen werden, die wiederrum zum kreativen Austausch anregen. Die Vision der beiden TheNewNew-Fellows Ana Filipa Maceira & Irem Kurt ist es, negative Narrative rund um Migration und marginalisierte Personen zu durchbrechen. Was sie antreibt und wie sie ihr Projekt angehen, haben die Fellows mit Ouassima Laabich-Mansour & Markus Overdiek besprochen.

 

Wie hat euer Projekt begonnen?

Irem: Nachdem wir getrennt voneinander Zine- und Illustrations-Events besucht haben, sind wir schließlich gemeinsam zum Illustrationsfest in Berlin gefahren. Selbst in einer so internationalen Stadt fiel uns der Mangel an Vielfalt in der kreativen Szene auf.

Also beschlossen wir, eigene Veranstaltungen zum Thema Illustration durchzuführen. Wir organisierten eines der ersten und allen offenstehenden Illustrationsfestivals in Deutschland, das als Fokus Migrant:innen, BIPoC und Diaspora hat und auf Illustrator:innen, Musiker:innen, Autor:innen und Organisationen aus diesen Communities abzielt.

Aufgrund der Pandemie konnten wir jedoch nur eine Veranstaltung vor Ort durchführen. Also beschlossen wir, uns noch mehr auf den Aufbau einer Onlinecommunity zu konzentrieren.

Filipa: Wir fanden, dass Onlineevents eine viel zugänglichere Möglichkeit sind, viele Illustrator:innen zu präsentieren, die an den Rand gedrängt werden oder sich damit identifizieren, Migrant:innen, BIPoC und/oder aus der Diaspora zu sein. Wir konnten uns den Themen durch die Onlineevents dann noch besser nähern, als wir es zunächst für den digitalen Bereich erwartet hatten.

Irem: Und online zu gehen war eine Chance, sich mit Illustrator:innen zu verbinden, die nicht nur in Berlin leben, sondern auf der ganzen Welt. Es ermöglichte uns, andere Diaspora- oder Migrant:innen-Communities zu erreichen und mit den Leuten ins Gespräch zu kommen, mit denen wir ähnliche Erfahrungen und Gedanken teilen.

Das sind klare Vorteile der digitalen Welt. Aber war es euch auch möglich, in der digitalen Welt ein Gefühl der Verbundenheit und Zugehörigkeit zu schaffen?

Filipa: Wir haben einen Mikroansatz gewählt und viele Einzelgespräche geführt, um eine tiefere Verbindung zu einzelnen Personen herzustellen – anstatt mit vielen Menschen gleichzeitig zu arbeiten. Außerdem helfen Illustrationen den Menschen dabei, sich verbunden zu fühlen und Themen zu verstehen, die manchmal schwieriger zu vermitteln sind.

Irem: Wir machen oft Projekte mit anderen Illustrator:innen und Organisationen, die eine ähnliche Denkweise haben. Das macht es einfacher, eine gegenseitige Verbindung herzustellen. Und die Möglichkeiten, sich im digitalen Raum zu verbinden, sind weitaus größer, als wir zunächst erwartet hatten.

Könnt ihr uns zwei von euren Illustrationen zeigen und uns etwas über diese erzählen?

Illustration zur Ausgrenzung von Gastarbeitern nach dem 2.Weltkrieg
© Irem Kurt

Irem: Nesrin Tanç ist eine Autorin und Literatur- und Kulturwissenschaftlerin, die sich mit dem Werk von Schriftsteller:innen beschäftigt, die aus der Türkei, dem weiteren anatolischen Raum und dem Irak nach Deutschland emigriert sind. Sie hat mich gebeten, ihr Forschungsprojekt mit Illustrationen zu unterstützen. Da die Gastarbeitergeschichte im deutschen Lehrplan kaum eine Rolle spielt, war ich von der Chance begeistert, dieses Thema genauer zu beleuchten.

Die Illustrationen basieren auf Kurzgeschichten des türkischen Sozialschriftstellers Fakir Baykurt, der in Deutschland ins Exil ging und das Leben der Gastarbeiter hier beschrieb. Die Menschen sind zum Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg gekommen – und wurden dann diskriminiert und in ghettoähnlichen Gebäuden ausgegrenzt. Für mich war es wichtig, einen Weg zu finden, die Geschichte der Gastarbeiter:innen so darzustellen, dass sie für die heutigen Generationen zugänglich und ansprechend ist.

Illustration zum Unverstandensein als Migrantin in Deutschland
© Mayha Suaysom

Filipa: Diese Illustration stammt von Mayha, einer Migrantin aus Thailand, die nun schon seit fünf Jahren hier ist. Sie illustriert heitere Geschichten über das Unverstandensein als Migrantin in Deutschland. Wir sehen es als wichtig an, dass wir Raum für Menschen wie uns schaffen, die sich damit identifizieren, Migrant:innen, BIPocs und/oder Illustrator:innen aus der Diaspora zu sein. Dieser Comic heißt „Same, same. But different“ und zeigt, wie ähnlich sich Deutschland und Thailand sind – obwohl sie völlig unterschiedlich sind.

Wie hilft euch das Fellowship bei der Arbeit an eurem Projekt weiter?

Filipa: Der Austausch mit Leuten, die an anderen interessanten Projekten arbeiten, ist für uns sehr wertvoll. Es geht auch darum, von der Arbeitsweise anderer Stipendiat:innen zu lernen und unser eigenes Handeln zu professionalisieren. Die Fellowship-Workshops ermöglichen es uns, Diskussionen über Technologie und ihre gesellschaftlichen Vor- und Nachteile zu vertiefen, beispielsweise bei einem Workshop vom Projekt Algorithms of Late Capitalism, die einen Co-Creation-Workshop durchgeführt haben. Diese Erfahrungen sind sehr ermächtigend und geben uns die Hoffnung, dass OUSA unsere Erwartungen noch übertreffen kann.

Irem: Das Lernen in den Workshops und die Vernetzung sind für uns extrem nützlich. Wir sehen jetzt viel klarer die Richtungen, in die wir die OUSA lenken möchten.


Dieses Gespräch ist Teil einer Interviewreihe im Rahmen des TheNewNew-Fellowships, das auf Initiative der Bertelsmann Stiftung und des gemeinnützigen Superrr Lab, in Kooperation mit der Allianz Kulturstiftung und dem Goethe-Institut erfolgt.

Auf diesem Blog werden einige Beiträge der Interviewreihe auf Deutsch veröffentlicht. Alle Interviews sind in englischer Sprache auf dem TheNewNew-Blog zu finden.

Dieses Interview wurde von Markus Overdiek übersetzt und gekürzt.


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