In einem Wartezimmer einer Arztpraxis sitzt eine Frau und ein älterer Mann mit Kind steht am Empfang der Praxis.

Jeder Vierte fürchtet, wegen fehlender Infos nicht den richtigen Arzt zu finden

Wie gut ist mein Hausarzt im Vergleich mit anderen? Ist dieser Orthopäde spezialisiert und erfahren genug? Achtet man in der Praxis auf Hygiene? Bisher findet man vor dem Gang in die Arztpraxis kaum Antworten auf solche Fragen. Arztsuchportale mit solchen Infos wären in Deutschland umsetzbar, viele Daten sind vorhanden. Aber: Es fehlt der politische Wille.

Mehr als jeder vierte Deutsche (27 Prozent) befürchtet, aufgrund fehlender Informationen nicht den richtigen Arzt zu finden. Über die Hälfte der Bürger wünscht sich mehr wichtige und neutrale Informationen. Das wäre auch möglich, denn die Daten sind zum größten Teil vorhanden. Doch der deutschen Gesundheitspolitik fehlt ein Gesamtkonzept für mehr Transparenz über die Leistungen und die Ausstattungen von Arztpraxen. Das ist das Ergebnis einer Studie der Weissen Liste und uns auf Grundlage einer bevölkerungsrepräsentativen Umfrage von Kantar Emnid, einer Ländervergleichsstudie des IGES-Instituts sowie eines ergänzenden Rechtsgutachtens.

"Die bisherige Arztwahl in Deutschland basiert im weitesten Sinne auf dem Prinzip ‚Trial and Error‘. Die Mehrheit der Patienten weiß nicht, welche Expertise, Erfahrung und Ausstattung sie hinter der Praxistür erwartet."

Brigitte Mohn, Vorstand der Bertelsmann Stiftung

"Dabei liegen viele dieser Informationen bereits vor. Andere Länder zeigen, wie sie zum Nutzen der Patienten öffentlich präsentiert werden können. Deutschland bleibt hier deutlich hinter seinen Möglichkeiten zurück", so Mohn weiter.

Bürger möchten mehr werbefreie Informationen über ihren Haus- und Facharzt

Mehr als die Hälfte der Bürger wünscht sich mehr Informationen vor dem Besuch beim Haus- oder Facharzt. Wichtig sind den Befragten Informationen über:

  • Fachkenntnis und Erfahrungen mit der Behandlung der eigenen Krankheit (94 Prozent)
  • Hygiene in der Praxis (90 Prozent)
  • Zusatz-Leistungen – zum Beispiel Hautscreenings und Vorsorgeuntersuchungen (84 Prozent)
  • Behandlungsergebnisse des Arztes bei bestimmten Erkrankungen (80 Prozent)
  • Zufriedenheit anderer Patienten (75 Prozent)
  • Ausstattung der Praxis – zum Beispiel Röntgen- und Ultraschallgeräte (74 Prozent)

In allen Belangen fühlen sich die Befragten jedoch nicht ausreichend informiert. Am meisten driften Informations-Wunsch und Wirklichkeit in Sachen Praxis-Hygiene auseinander. Am wenigsten informiert fühlen sich Patienten, wenn es darum geht, welche Untersuchungsgeräte es in der Arzt-Praxis gibt.

Ginge es nach den Befragten, dann wäre das Internet ein passender Ort, diesen Informationsmissstand zu beheben. Allerdings sollten Arztsuchportale neutral und werbefrei sein (86 Prozent).

Klarer Favorit: Den Befragten ist es am wichtigsten, dass Arztsuchportale neutral und werbefrei sind. Die Grafik finden Sie in größerer Auflösung rechts oder in mobiler Ansicht unten.

Die Daten sind da, aber die Transparenz fehlt in Deutschland

"Patienten haben eine sehr genaue Vorstellung davon, welche Informationen ihnen fehlen, um mehr Sicherheit bei der Arztwahl zu erhalten. Aber in Deutschland werden ihnen diese bisher vorenthalten", sagte Roland Rischer, Geschäftsführer der Weissen Liste.

Die Länderanalyse zeigt: In Deutschland werden Daten über die Ausstattung, das Leistungsspektrum und die Erfahrungen der Ärzte von den Kassenärztlichen Vereinigungen erhoben. Die deutsche Gesundheitspolitik sieht jedoch bisher nicht vor, diese öffentlich zu machen. Andere Industrieländer, allen voran England und die USA, gehen wesentlich offener mit ihren Daten um. Patienten können sich dort ohne Zugangsbeschränkungen darüber informieren, welche Leistungen ein Arzt wie oft und in welcher Qualität anbietet. Dazu werden Abrechnungsdaten von einer staatlichen Institution ausgewertet. Außerdem werden Patienten regelmäßig seriös zu ihren Erfahrungen mit dem Arzt oder der Praxis befragt.

Schutz persönlicher Daten steht der Informationsfreiheit nicht im Weg

Wenn es darum geht, offener mit Versorgungsdaten umzugehen, wird häufig der Datenschutz als Gegenargument ins Feld geführt. Wir haben ein Rechtsgutachten in Auftrag gegeben, um der Frage nachzugehen: Steht der Datenschutz einer transparenteren Patienteninformation oder der Nutzung der Daten in der Versorgungsforschung im Wege?

Das Ergebnis zeigt auf, dass die Privatsphäre der Patienten keineswegs gefährdet wäre, wenn Daten anonymisiert genutzt würden. Mit Blick auf die Ärzte sollte das Interesse der Öffentlichkeit an diesen wichtigen Informationen jedoch gleichrangig mit den Bedürfnissen der Ärzte nach Schutz ihrer Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse gewürdigt werden. Kommen zusätzliche Belange wie der Gesundheitsschutz und das Patientenwohl hinzu, kann es sogar dringend erforderlich sein, die Daten offenzulegen. Dazu bedürfte es allerdings einer gesetzlichen Regelung.

Deutschland braucht ein Gesamtkonzept für informiertere Patienten

"Die Studienergebnisse zeigen, dass Deutschland im internationalen Vergleich zurückbleibt. Unsere Gesundheitspolitiker sind nun gefordert. Sie sollten den gesetzlichen Rahmen so verändern, dass Patienten in Deutschland alle benötigten Informationen haben, um den richtigen Arzt zu finden", so Rischer. Er fordert außerdem, dass die Politiker nach dem Vorbild anderer Länder eine neutrale Datenannahmestelle errichten und die Kassenärztlichen Vereinigungen dazu verpflichten sollten, ihre Daten bereitzustellen. "Darüber hinaus sollten Patientenerfahrungen, die Arztpraxen erheben, veröffentlicht werden. Dann hätten Arztsuchportale eine gute Basis, um dem ausgeprägten Wunsch der Patienten nach mehr Informationen über Qualität und Ausstattung von Ärzten nachzukommen", schlussfolgert Rischer.