Afrika

Ein geteilter Kontinent

Afrika ist tief gespalten zwischen politischen und wirtschaftlichen Extremen. Einige der Wolken am wirtschaftlichen und politischen Horizont könnten sich als Silberstreif erweisen. Der Afrikanischen Union kommt beim Wandel zu einem Chancenkontinent eine Schlüsselrolle zu.

Zum 32. Gipfel der Afrikanischen Union (AU) am 10./11. Februar werden Staats- und Regierungschefs in Addis Abeba über die drängenden Fragen des Kontinents beraten. Im Mittelpunkt stehen dieses Mal Lösungsansätze für erzwungene Migration in Afrika – von der Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen und Vertriebenen bis hin zur langfristigen Fluchtursachenbekämpfung. Hinter den Kulissen dürfte es auch um die künftige politische Rolle der regionalen Organisation gehen, die sich zuletzt trotz unterschiedlicher Interessen ihrer 55 Mitgliedsstaaten erstaunlich handlungsfähig gezeigt hat.

Seit 2006 untersucht die Bertelsmann Stiftung mit ihrem Transformationsindex (BTI) die politischen und ökonomischen Erfolgsbedingungen und die Regierungsleistungen von Entwicklungs- und Transformationsländern weltweit. Die nun vorliegende umfassende regionale Auswertung afrikanischer Transformationsprozesse kommt zu einem zwiespältigen Ergebnis: Die Region ist gespalten in sich demokratisierende und autokratische Staaten sowie zwischen wirtschaftliche Erfolgsgeschichten mit funktionierender Korruptionsbekämpfung und konfliktbehafteten, krisenanfälligen Staaten.

Die Situation ist besonders vertrackt, weil die Grenzen zwischen diesen beiden Welten fließend und manchmal in unterschiedliche Richtungen verlaufen. Dies zeigt etwa das Beispiel Ruandas, das hohes und anhaltendes Wirtschaftswachstum mit harter politischer Repression verbindet.

Der Binnenstaat Botswana und der Inselstaat Mauritius sind die unumstrittenen Erfolgsbeispiele Afrikas im Transformationsindex, die zeigen, dass Demokratisierung und nachhaltige Wirtschafts- und Sozialpolitik mit umsichtiger und strategischer politischer Planung gelingen können.

Krisen und Chancen

Viele afrikanische Staaten sind noch weit entfernt von diesem Transformationspfad. Politische Instabilität, Armut, demokratische Stagnation sowie mangelnde wirtschaftliche Diversifizierung haben die Lage in vielen Ländern eher verschlimmert als verbessert. Fünf von sieben Ländern, die der BTI aufgrund mangelnder staatlicher Strukturen als gescheitert einstuft, liegen auf dem afrikanischen Kontinent. 38 von 44 untersuchten Staaten haben ein erhebliches strukturelles Armutsproblem. Obwohl fast alle Staaten mittlerweile Mehrparteiensysteme haben, fehlen der Demokratie häufig die rechtsstaatliche Substanz und echte Beteiligungsmöglichkeiten. Wahlfälschungen sind an der Tagesordnung, und fünf Staatschefs haben allein seit 2015 die Verfassung ändern lassen, um das Ende ihrer Amtszeit weiter in die Zukunft verschieben zu können.

Der AU kommt eine Schlüsselrolle bei der Transformation Afrikas zu einem Chancenkontinent zu, indem sie sich stärker für wirtschaftliche Diversifizierung, Armutsbekämpfung und gute Regierungsführung einsetzt und damit zumindest die Ursachen für erzwungene Migration eindämmt. Seit ihrer Gründung hat sich die AU zu einem ernstzunehmenden politischen Akteur auf dem Kontinent entwickelt. So hat sie eine Reihe von Ländern nach Staatsstreichen vorübergehend suspendiert, darunter Mauretanien (2005), Guinea (2008), Madagaskar (2009), Côte d'Ivoire (2010), Ägypten (2013) und die Zentralafrikanische Republik (2013).

Der Präzedenzfall Gambia

Spricht dies für Status-quo-Sicherung oder Reformbereitschaft der AU? "Man muss die Rolle der AU bei der Unterstützung des politischen Wandels in Afrika realistisch einschätzen. Sanktionen gegen verfassungswidrige Regierungsübernahmen wie einem Militärputsch liegen im Interesse aller amtierenden Präsidenten. Im Gegensatz dazu lassen sich Maßnahmen zur Sicherung freier und fairer Wahlen kaum durchsetzen, da sie die Position zahlreicher autoritärer Machthaber schwächen würden", meint Nic Cheeseman, Autor des Afrika-Berichts des BTI und Professor für Demokratie und internationale Entwicklung an der Universität Birmingham.

Einige Indizien deuten bereits darauf hin, dass autoritäre Staatschefs sich ihrer Macht künftig nicht mehr so sicher sein können. Nachdem Gambias Diktator Yahya Jammeh trotz seiner Wahlniederlage im Dezember 2016 an seinem Präsidentenamt festhalten wollte, hat eine in klarer Sprache verfasste gemeinsame Erklärung der AU im Januar 2017 dazu beigetragen, ihn aus dem Amt zu verdrängen.

Gesellschaftliche Trends machen Hoffnung

Auch gesellschaftlich vollzieht sich ein Wandel. Politikerinnen spielen eine größere und häufig positive Rolle in Postkonfliktstaaten. Verbesserter Zugang zu Bildung, die zunehmende Verbreitung von Mobiltelefonen mit Internetzugang und die rasante Urbanisierung haben dazu geführt, dass Bürger kritischer werden und schlecht funktionierende Regierungen stärker als in der Vergangenheit zur Rechenschaft ziehen wollen. Wenn diese Tendenz anhält, könnten sich auch die Kräfteverhältnisse innerhalb der AU stärker zugunsten demokratisch legitimierter Regierungen verschieben. Nur dann könnte die AU wirkungsvoll einige der Ziele ihrer Agenda 2063 umsetzen: ein Kontinent der guten Regierungsführung, Demokratie, des Respekts für Menschenrechte, Gerechtigkeit und Rechtsstaatlichkeit zu werden.

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