Eine Frau in einem Büro zeigt auf dem Hologramm einer Weltkugel auf einen Bereich.

Deutsche Wirtschaft muss 35 Milliarden Euro mehr in Wissenskapital investieren

Die Digitalisierung verändert Wertschöpfungsketten grundlegend. Unternehmen investieren heute nicht mehr nur in Maschinen und Gebäude, sondern verstärkt in Software, Datenbanken und in die Kompetenzen der Mitarbeiter, diese digitalen Prozesse zu steuern. Sie investieren also in ihr Wissenskapital.

Hierunter werden eine Reihe von immateriellen Vermögensgegenständen zusammengefasst, die ebenso wie Sachkapital einen langfristigen Wert für die Unternehmen darstellen. Nur so können Innovationskraft, Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit gesichert werden.

Nach Daten des DIW Berlin investiert die deutsche Wirtschaft heute bereits mehr in Wissenskapital als in klassische Anlagegüter. Doch das ist immer noch deutlich zu wenig, wie unsere aktuelle Studie zeigt. Im internationalen Vergleich investieren die deutschen Unternehmen nur durchschnittlich. Das DIW Berlin hat dabei für uns erstmalig den Einsatz des Wissenskapitals in Deutschland mit anderen Volkswirtschaften (u.a. USA, Großbritannien und Frankreich) verglichen.

Betrachtet man den Einsatz des gesamten Wissenskapitals in der Wirtschaft, so liegt Deutschland im Jahr 2017 etwa 15 Prozent hinter dem Spitzenreiter Frankreich zurück. Besonders groß ist der Rückstand in den Dienstleistungssektoren. Auch die Industrie investiert nur durchschnittlich in ihr Wissenskapital.

Neben dem vergleichsweise geringen Investitionsniveau stellen wir fest, dass der Wissenskapitalstock in Deutschland überdurchschnittlich alt ist. Andere Volkswirtschaften sind hier deutlich moderner.

Das hat auch das Bundeskabinett erkannt und im Mai beschlossen, den Anteil der Ausgaben für Forschung und Entwicklung (F+E) bis 2025 von derzeit jährlich drei auf 3,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu steigern. Doch der Fokus ist zu eng. Forschung und Entwicklung ist nur ein Bestandteil des Wissenskapital. Zu den weiteren Bestandteilen zählen etwa Führungskompetenzen und die Aus- und Weiterbildung der Mitarbeiter. Gerade hier liegt Deutschland weit zurück auf dem letzten Platz, 20 Prozent unter dem Durchschnitt.

Um das 3,5-Prozent-Ziel der Bundesregierung zu erreichen, müssen alleine die Unternehmen nach unseren Berechnungen jährlich etwa 35 Milliarden Euro mehr in F+E und das komplementäre Wissenskapital investieren als derzeit. Hierfür brauchen wir ein umfassenderes Förderkonzept, das alle Komponenten des Wissenskapitals einschließt.

"Das entspricht nicht dem Anspruch Deutschlands zu den technologisch führenden Volkswirtschaften zu gehören. Die Wirtschaftspolitik in Deutschland ist aufgefordert, die Rahmenbedingungen für Investitionen in alle Arten von Wissenskapital auf den Prüfstand zu stellen."

Torben Stühmeier, Wirtschaftsexperte der Bertelsmann Stiftung