Satellitenfoto von der EU und ihrer südlichen und östlichen Nachbarschaft

Die EU und ihre Nachbarn:
Wie Wirtschaft und Zivilgesellschaft gestärkt werden können

Voneinander lernen, um durch partnerschaftliche Zusammenarbeit mit der Europäischen Union die eigenen Volkswirtschaften zu stärken. Die Saham Foundation und die Bertelsmann Stiftung diskutierten in Marrakesch mögliche Lösungen für eine intensivere soziale und wirtschaftliche Zusammenarbeit.

Inhalt

Die Nachbarschaftspolitik Europas umfasst die wirtschaftliche, soziale und politische Zusammenarbeit der EU mit ihren 16 direkten Nachbarländern im Süden und Osten. Marokko, Tunesien und Jordanien im Süden sowie Moldawien, die Ukraine und Georgien im Osten wickeln bis zu 70 % ihres Im- bzw. Exportes mit der EU ab. Gute Handelsbedingungen und eine kluge Integration in den EU- Binnenmarkt sind für diese Länder wichtig, um ihre Volkswirtschaften zu modernisieren und insbesondere für die Jugend bessere Arbeits- und Zukunftsperspektiven zu schaffen. Diese sechs EU-Nachbarländer haben unterschiedliche bilaterale Handelsverträge mit der Europäischen Union abgeschlossen. Die Vernetzung von Akteuren aus diesen Nachbarländern und der Wissensaustausch zwischen ihnen über partnerschaftliche Handelsbeziehungen mit der EU ist nicht nur ein Anliegen im Europaprojekt der Bertelsmann Stiftung „Strategien für eine neue EU Nachbarschaft“, sondern war auch ein zentrales Thema beim Stakeholder-Dialog in Marrakesch am 14. und 15. Februar 2020. Auf Einladung der marokkanischen Saham Foundation und der deutschen Bertelsmann Stiftung kamen 25 renommierte Vertreter, Entscheider und Experten aus Wirtschaft, Politik, Wissenschaft und Zivilgesellschaft zu einem Dialog und Erfahrungsaustausch zusammen, der dem Thema „Bringing the EU and its neighbours together - Promoting civil society actors in socioeconomic cooperation and youth integration work“ gewidmet war.

Die Ukraine, Georgien und Moldawien haben in den letzten Jahren ein so genanntes vertieftes und erweitertes Freihandelsabkommen mit der EU abgeschlossen. Tunesien verhandelt ein ähnliches Abkommen, Jordanien umfasst eine Freihandelszone mit der EU, und Marokko hat darüber hinaus einen „advanced status“ mit der Europäischen Union. Die drei osteuropäischen Nachbarländer haben bisher sowohl negative als auch positive Erfahrungen mit der Öffnung ihrer Märkte gemacht. Als einen positiven Trend stellte ein Teilnehmer heraus, dass die Übernahme von Exportproduktionsstandards der EU die Rechtsstaatlichkeit befördert und die Wettbewerbsfähigkeit auf dem europäischen bzw. internationalen Markt erhöht habe; folglich seien auch mehr Investoren gewonnen und mehr Arbeitsplätze geschaffen worden.

Handelsvolumen erhöhen, Arbeitsplätze schaffen, Zivilgesellschaft stärken

Weiterhin wurde diskutiert, dass Handelsverträge und Wirtschaftsbeziehungen in eine gemeinsame positive Vision eines teilhabenden Wohlstands zwischen Europa und seinen Nachbarregionen eingebettet werden sollten. Einen Beitrag dazu könnte durch eine breitere Kommunikation geleistet werden, die mehr Menschen und zivilgesellschaftliche Organisationen in den betreffenden Ländern einbezieht.

Angesichts des demographischen Wandels, des technologischen Fortschritts und des sozialen Friedens sei es sehr wichtig, dass Arbeitsplätze und Zukunftsperspektiven für junge Menschen im Mittelmeerraum und in der europäischen Nachbarschaft geschaffen werden. Die Kenntnis von Projekten, die sich diesem Thema widmen, das gegenseitige Lernen von Akteuren, die an diesen Projekten mitarbeiten, sowie die Vernetzung zwischen ihnen haben die Debatte über Strategien für Wachstum, Arbeit und Wohlstand geleitet.

So machte die Saham Foundation beispielsweise auf ihr neues Projekt aufmerksam, das die soziale und berufliche Wiedereingliederung junger NEET (Not in Education, Employment or Training)-Personen fördern soll, indem ihnen ein integriertes Tageszentrum mit gezielter Berufsausbildung, psychologischen Unterstützungsdiensten sowie kulturellen und sportlichen Aktivitäten angeboten wird. Die spanische Fondación Bertelsmann berichtete über ihre Projekterfahrungen in Spanien, bei denen die duale Berufsausbildung als Instrument zur Verringerung der Jugendarbeitslosigkeit eingesetzt wurde. Es wurde über erfolgreiche Konzepte einzelner Wirtschaftsschulen in Jordanien und über Programme eines National Investment Fund für junge kleinere und mittlere Unternehmen (KMU) in Marokko berichtet. Europäische Vertreter wiesen auf EU-Programme hin wie Erasmus+, EU4Youth und Twinning-Projekte für Reformen im Bildungsbereich.

Wie verschiedene Vorschläge deutlich machten, könnte eine Ausweitung der praktischen Berufsausbildungsmöglichkeiten mehr arbeitslose Jugendliche in zukunftsorientierte Arbeitsplätze vermitteln. Zugleich wurde kritisiert, dass in vielen Nachbarländern noch immer die Vorstellung vorherrsche, man könne nur durch ein akademisches Studium gesellschaftliches Ansehen erreichen.

Afrika und China als Herausforderungen für die EU und ihre Nachbarn

Auch verschiedene Aspekte der Migration zwischen der südlichen bzw. östlichen Nachbarschaft und der EU, die zunehmende sozioökonomische Verflechtung der südlichen Nachbarschaft mit den Ländern Afrikas südlich der Sahara und die Herausforderung durch die technologische und ökonomische Macht Chinas wurden als zusätzliche Faktoren angesehen, die die sozialen, wirtschaftlichen und politischen Beziehungen zwischen der Europäischen Union und den Ländern in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft stärken können.

Zur weiteren Lektüre bieten die Organisatoren dieses Stakeholder-Dialogs ein Erkenntnispapier an, das zusätzliche Einblicke, vertiefte Informationen und Erläuterungen zu den diskutierten Themen gibt.