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Deutsche Wirtschaft zu wenig innovativ – Manager sehen Mängel in den eigenen Betrieben

Die Führungskräfte der deutschen Wirtschaftsunternehmen haben mehrheitlich Zweifel an der Innovationsfähigkeit der Betriebe hierzulande. Sie erkennen einen technologischen Rückstand und wenig förderliche Rahmenbedingungen. Eine repräsentative Umfrage der Bertelsmann Stiftung deckt sich mit Untersuchungen über wenig innovative Unternehmensmilieus und fehlende Investitionen in Wissenskapital.

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Führungskräfte der deutschen Wirtschaft sehen die Innovationsfähigkeit der Unternehmen hierzulande, etwa auf dem Gebiet der Digitalisierung, überwiegend skeptisch. Obwohl die meisten darin ein strategisch wichtiges Feld erkennen, bestätigen sie gleichzeitig einen technologischen Rückstand und bemängeln die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen zur Förderung von Innovationen.

Dies zeigt eine repräsentative Befragung von knapp 1.000 deutschen Führungskräften durch das Reinhard-Mohn-Institut (RMI) an der Universität Witten/Herdecke im Auftrag der Bertelsmann Stiftung. Demzufolge schätzt mit 47 Prozent fast die Hälfte der Führungskräfte, dass die deutschen Unternehmen bei innovativen Technologien wie Künstlicher Intelligenz, Big Data oder Digitalisierung im Rückstand liegen. Ein weiteres Drittel (32 Prozent) stimmt dem Befund in Teilen zu. Und nur 20 Prozent erkennen keinen Rückstand. Speziell beim Thema Digitalisierung sehen sogar 49 Prozent der Führungskräfte Nachholbedarf.

Wie hoch der Stellenwert des Themas Innovationsfähigkeit dabei ist, zeigen zwei weitere Ergebnisse: So erklären über 60 Prozent, dass etwa die Digitalisierung für das eigene Unternehmen ein strategisches Thema sei. Für 44 Prozent der Führungskräfte ist der eigene Arbeitsbereich bereits heute sehr stark oder eher stark von Veränderungen durch Digitalisierung betroffen, für weitere 30 Prozent zumindest in Teilen. Auch nur eine Minderheit findet, das eigene Unternehmen nehme seine Mitarbeiter dabei mit und sei auf dem Weg der Digitalisierung zügig unterwegs. In dieser Einschätzung schließen sich die Manager durchaus selbst mit ein. So betrachten sich nur 40 Prozent der Führungskräfte als gut auf digitale Innovationen vorbereitet und jeder Vierte (27 Prozent) erklärt ausdrücklich, er sehe sich nicht gut vorbereitet.

Als eine der Ursachen für den diagnostizierten Rückstand sehen die Führungskräfte die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen für Innovationen. So bezweifelt fast die Hälfte (45 Prozent), dass die politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen hierzulande Innovationen fördern.

Die Befragung der Führungskräfte bestätigt die Erkenntnisse einer aktuellen Studie der Bertelsmann Stiftung. In Kooperation mit dem Deutschen Institut für Wirtschaft (DIW) konnte darin gezeigt werden, dass in Deutschland im Vergleich zu anderen modernen Volkswirtschaften deutlich weniger in Wissenskapital investiert wird, man zum Beispiel gegenüber Frankreich um über 15 Prozent zurückbleibt. Beim Modernitätsgrad des Wissenskapitals liegen die deutschen Unternehmen im Vergleich ebenfalls weit hinter den anderen Ländern zurück. Dies gilt vor allem für den Dienstleistungssektor, aber auch für die Industrie.

Eine weitere Studie der Stiftung in Zusammenarbeit mit IW Consult (Institut der deutschen Wirtschaft, Köln) zeigt weitere ausgeprägte Defizite in der Innovationsfähigkeit deutscher Unternehmen. So verfügt nur ein Viertel über die nötige Innovationskompetenz und -kultur, um die Wettbewerbsposition langfristig zu sichern. Dazu zählen etwa eigene Einrichtungen für Forschung und Entwicklung, die Fähigkeit und Offenheit, sich mit anderen Akteuren für Innovationen zu vernetzen sowie ausreichende Investitionen in das eigene Wissenskapital. Fast die Hälfte aller deutschen Unternehmen hat es in den zurückliegenden Jahren versäumt, ihr Innovationsprofil auf diese Weise an neue Bedingungen und Herausforderungen anzupassen.

Den Erhebungen des Führungskräfteradars zufolge müssen wir bedauerlicherweise davon ausgehen, dass nicht alle Unternehmen und Führungskräfte in Deutschland Innovationsprojekte im notwendigen Umfang in Angriff nehmen.

Dr. Daniel Schraad-Tischler, Direktor des Programms Nachhaltig Wirtschaften der Bertelsmann Stiftung

Für Dr. Daniel Schraad-Tischler, Direktor des Programms Nachhaltig Wirtschaften der Bertelsmann Stiftung, sind diese Befunde mehr als bedenklich: "Innovationen sind der Schlüssel für Wettbewerbsfähigkeit, zukünftigen Wohlstand und die Lösung dringender gesellschaftlicher Probleme. Die Führungskräfte bilden in den Unternehmen die entscheidenden Schnittstellen zwischen Forschung, Entwicklung und Anwendung. Sie sind diejenigen, die die nötigen Transformationen hin zu neuen Technologien, Produkten und Dienstleistungen vorantreiben müssen und auch andere von der Sinnhaftigkeit von Innovationen überzeugen sollen. Dies kann jedoch nur gelingen, wenn sie selbst daran glauben, die Lage positiv einschätzen und selbst befähigt sind, Innovationen voranzutreiben."