Der Sachverständigenrat Integration und Migration.

Transfer des SVR ist ein großer Erfolg für die Stiftungen

Der Sachverständigenrat für Integration und Migration (SVR), 2008 von unserer Stiftung mitbegründet, geht ab Januar 2021 in die Zuständigkeit des Bundes über. Jörg Dräger, Vorstand der Stiftung und stellv. Vorsitzender des SVR-Kuratoriums, erklärt im Interview die Hintergründe dieser erfolgreichen Projektüberführung.

Der Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration geht mit Beginn des neuen Jahres in die Zuständigkeit des Bundes über. Ab Januar 2021 setzt das von der Bertelsmann Stiftung mitbegründete Gremium unter der leicht abgewandelten Bezeichnung als Sachverständigenrat für Integration und Migration seine Arbeit fort. Damit einher geht der vollständige Übergang in die institutionelle Förderung des Bundes. Die offizielle Übertragung an das Bundesinnenministerium erfolgte heute im Rahmen eines digitalen Pressetermins. 2008 hatten acht private Stiftungen, darunter die unsere Stiftung, den Sachverständigenrat ins Leben gerufen.

Die Initiative entstand 2008 aus der Überzeugung heraus, dass es einer unabhängigen Institution der wissenschaftlichen Politikberatung für die Zukunftsthemen Integration und Migration bedarf. Die Mitglieder des Sachverständigenrats sind auf Zeit berufen und gehören verschiedenen Universitäten an, vorwiegend aus Deutschland, zum Teil aber auch im Ausland. Gemeinsam erarbeiten sie Gutachten und Positionspapiere, die sowohl der Politik und Fachöffentlichkeit als auch der Allgemeinheit als Orientierungspunkte dienen. Die bekanntesten Publikationen sind das Jahresgutachten und das SVR-Integrationsbarometer. Auch in der Zuständigkeit des Bundes soll der SVR als unabhängiges, interdisziplinäres Gremium agieren, das Politik wissenschaftlich berät und den öffentlichen Diskurs bereichert.

Jörg Dräger, Vorstand der Stiftung, ist stellvertretender Vorsitzender des SVR-Kuratoriums und nahm in dieser Rolle auch am heutigen Pressegespräch teil. Im Interview erläutert er die Arbeit des Sachverständigenrats für Integration und Migration sowie die Übertragung an den Bund.

Welche gesellschaftliche Wirkung hatte Ihrer Meinung nach der Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Migration und Integration in den zurückliegenden 12 Jahren?

Jörg Dräger: Die wissenschaftlich exzellenten Jahresgutachten des Sachverständigenrates haben dazu beigetragen, die oft hitzig und emotional geführten Debatten um Migration und Integration zu versachlichen. Ein schönes Beispiel ist das SVR-Integrationsbarometer: Während in den Medien bei auftretenden Problemen oft reflexartig vom Scheitern der Integration die Rede ist oder die Gefahr von „Parallelgesellschaften“ an die Wand gemalt wird, bescheinigt das Barometer auf der Grundlage empirischer Daten Deutschland seit Jahren ein eher positives und stabiles Integrationsklima. Besonders wertvoll waren die pragmatischen Lösungsansätze, die der SVR entwickelt hat – oft unter Rückgriff auf gute internationale Beispiele. Der SVR stand und steht für das „Lernen von der Welt“, das für unseren Stifter Reinhard Mohn so wichtig war.

Jörg Dräger, Vorstand unserer Stiftung und stellv. Vorsitzender des SVR-Kuratoriums.

Wird sich die Arbeit des Sachverständigenrates durch die Überführung seiner Förderung von der Zivilgesellschaft an den Staat verändern?

Jörg Dräger: Zunächst einmal ist festzuhalten, dass dieser Transfer ein großer Erfolg für die Stiftungen ist. Als sie sich 2008 gemeinsam auf den Weg machten, waren sie davon überzeugt, dass Migration und Integration zentrale Politikfelder für die Gestaltung der Zukunft Deutschlands sind. Es gab aber damals keine wissenschaftliche, vom Staat geförderte Politikberatung in diesem Feld – anders als etwa im wirtschaftlichen Bereich. Die Stiftungen haben diese Lücke geschlossen. Mittlerweile ist in Staat und Gesellschaft unstrittig, wie bedeutsam eine wissenschaftlich basierte Gestaltung von Migrations- und Integrationsfragen für den gesellschaftlichen Zusammenhalt ist. Die Zeit war reif für die Übertragung. Für uns Stiftungen hat die Unabhängigkeit der Wissenschaftler:innen immer die Schlüsselrolle für die Akzeptanz ihrer Empfehlungen gespielt. Diese Unabhängigkeit zu erhalten, ist auch dem Staat wichtig. Deshalb wird sich die Arbeit des SVR, der als gemeinnützige GmbH fortbesteht, im Kern nicht ändern.

Die Gründung des SVR als gemeinsame Initiative großer Stiftungen war ein Novum. Lässt sich hier von einer Vorreiterrolle für die deutsche Stiftungslandschaft sprechen?

Jörg Dräger: Der SVR war in der Tat ein wichtiger Katalysator für eine stärkere Kooperationskultur in der Stiftungswelt, die traditionell an den Anliegen herausragender Stifterpersönlichkeiten orientiert war. Mittlerweile fragen sich die Stiftungen immer mehr - und diese Frage wird auch von außen an sie gerichtet – welche konkreten Wirkungen sie zum Nutzen der Gesellschaft erzielen. Und sie haben in vielen Projekten die Erfahrung gemacht, dass gemeinsames Vorgehen mehr erreichen kann – insbesondere bei der Lösung hartnäckiger Herausforderungen. Ein Beispiel aus der jüngeren Vergangenheit ist das "Forum Bildung Digitalisierung", in dem sich aktuell acht Stiftungen engagieren, um Schulen und Lehrkräfte bei der digitalen Transformation zu unterstützen – wie wichtig das ist, hat die Corona-Krise eindrücklich belegt.

Hier geht es zur Homepage des Sachverständigenrats deutscher Stiftungen für Integration und Migration.