Ein hellhäutiger Ingenieur erklärt einem dunkelhäutigen Auszubildenden die Bedienung einer Maschine in einer Fabrik.

Arbeitsmarktintegration von Flüchtlingen: Kein Patentrezept in Sicht

Überall in Europa suchen Politiker derzeit nach Wegen, um Asylbewerber und Flüchtlinge in Arbeit zu bringen. Die Herausforderung ist groß, die Instrumente vielfältig – etwa Sprachkurse, Praktika, Kompetenzfeststellung und Qualifizierung. Doch ein schlagkräftiges Konzept hat noch niemand gefunden, wie unsere neue Studie zeigt.

Angesichts der stark gestiegenen Flüchtlingszahlen gilt in den EU-Staaten eine bessere und schnellere Integration der Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt mittlerweile als zentrale Herausforderung – auch in jenen Ländern, die der Aufnahme von Flüchtlingen eher mit Skepsis begegnen. Während vor allem die skandinavischen Länder bereits langjährige Erfahrungen in der Arbeitsmarktintegration von Flüchtlingen haben, werden nun auch in anderen Staaten verstärkt Förderprogramme für Geflüchtete eingerichtet. Bei der Umsetzung wirksamer Integrationsstrategien stehen die meisten Länder aber noch am Anfang.

Dies sind die zentralen Erkenntnisse einer internationalen Studie, die Strategien und Maßnahmen zur Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten in neun europäischen Staaten (siehe Infobox) verglichen hat. Neben der staatlichen Integrationspolitik hat das Forschungsteam des Migration Policy Centre am Europäischen Hochschulinstitut in Florenz für die Studie auch kommunale und gemeinnützige Integrationsprojekte untersucht.

Die Bestandsaufnahme zeigt, dass fast alle untersuchten Länder im vergangenen Jahr neue Programme aufgelegt oder bestehende Fördermaßnahmen auf Flüchtlinge ausgeweitet haben. In den neun Ländern zählten die Studienautoren 94 unterschiedliche Programme. Besonders verbreitet sind Sprach- und Orientierungskurse, Maßnahmen zur Erfassung beruflicher Kompetenzen sowie Vermittlungs- und Beratungsdienstleistungen. Auch die entsprechenden Budgetmittel wurden teils deutlich erhöht.

Flüchtlinge in Deutschland

Viele Pilotprojekte, kaum flächendeckende Angebote

Die ernüchternde Erkenntnis der Experten: In keinem Land reichen die Ressourcen derzeit aus, um den gestiegenen Bedarf an Sprachkursen und Fördermaßnahmen zu decken. Viele der untersuchten  Maßnahmen haben lediglich Pilotcharakter. Entsprechend gering sind auch die Teilnehmerzahlen. Personelle  Engpässe und Unsicherheiten bei der Finanzierung führen zu langen Wartezeiten und erschwertem Zugang  zu den verfügbaren Plätzen.

Am wenigsten Unterstützung erfahren Flüchtlinge im Vereinigten Königreich und in Frankreich. In beiden Ländern fehlt eine staatlich organisierte Integrationspolitik, Geflohene sind daher vor allem auf Projekte gemeinnütziger Organisationen angewiesen.

Den ehrgeizigsten  Ansatz verfolgen hingegen  Dänemark und Schweden, die Integration als öffentliche Aufgabe definieren. Beide Länder bieten allen Flüchtlingen und ihren Angehörigen mehrjährige Einführungsprogramme an, die je nach Bedarf  Sprachtraining, berufliche Orientierung, Praktika und subventionierte Beschäftigungsgelegenheiten miteinander verbinden. Aufgrund der hohen Flüchtlings zahlen stehen Dänemark und Schweden  vor der Herausforderung, diese kostenintensiven Programme weiter aufzustocken.

Beschäftigung scheitert zu oft an administrativen Hürden

Trotz der unterschiedlichen Rahmenbedingungen stehen alle untersuchten Länder laut den Autoren vor ähnlichen Herausforderungen. Dazu zählt die Entwicklung von  Maßnahmen, die den speziellen Förderbedarf von Geflüchteten berücksichtigen. Dazu unser Arbeitsmarktexperte Joscha Schwarzwälder:

"Die meisten untersuchten Länder haben auf die neue Situation reagiert, in dem sie bereits bestehende Förderangebote für Migranten auf Geflüchtete ausgeweitet haben. Allerdings wissen wir, dass Zuwanderer mit Fluchthintergrund deutlich mehr Schwierigkeiten bei der Jobsuche haben als andere Migranten. Dies muss bei der Gestaltung von Fördermaßnahmen berücksichtigt werden."

Joscha Schwarzwälder, Arbeitsmarktexperte der Bertelsmann Stiftung

Auch gibt es bei der Koordinierung der Arbeitsämter, der für die Unterbringung zuständigen Kommunen, der gemeinnützigen Initiativen und der vielen anderen Beteiligten Verbesserungsbedarf. Hier sei es dringend notwendig, eine Gesamtstrategie zu entwickeln, so Schwarzwälder.

Die Autoren kritisieren auch die zahlreichen administrativen und rechtlichen Hürden in den untersuchten Ländern, die die Arbeitssuche von Geflüchteten unnötig erschweren. So dürfen noch nicht anerkannte Asylsuchende oft nur dann einen Job annehmen, wenn kein einheimischer Arbeitssuchender dafür infrage kommt. Auch das Ausüben einer selbständigen Tätigkeit ist häufig nicht erlaubt. Zusätzlich wird die Arbeitssuche von sogenannten Wohnsitzauflagen erschwert: Anerkannte Flüchtlinge werden dabei allzu oft nach verfügbarem Wohnraum und offenen Plätzen in Integrationskursen, aber nicht nach Arbeitskräftebedarf auf die Kommunen verteilt. Flüchtlinge in strukturschwachen Regionen haben so das Nachsehen.

Früher Einstieg und flexible Programme

Wie erfolgreich die Länder bei der Arbeitsmarktintegration der Flüchtlinge sind, hängt jedoch von vielen Faktoren ab. In Dänemark und Schweden waren trotz der umfangreichen Einführungsprogramme nach drei Jahren weniger als ein Drittel der Teilnehmer beschäftigt. Auch in Deutschland lag die Beschäftigungsquote von Flüchtlingen bisher nach drei Jahren bei etwa einem Drittel. Im Vereinigten Königreich fand hingegen zwischen 2005 und 2009 immerhin knapp die Hälfte der Flüchtlinge bereits nach 21 Monaten einen Job. Einerseits unterscheiden sich die Gruppen der Flüchtlinge von Land zu Land, etwa hinsichtlich Sprache und Qualifikationsniveau. Andererseits spielt auch die Lage auf dem nationalen Arbeitsmarkt eine entscheidende Rolle. So zeigen die Fallstudien aus Italien und Spanien, dass Geflüchtete wegen der hohen Arbeitslosigkeit in diesen Ländern nur sehr geringe Chancen auf einen Job haben.

Als wichtigsten Erfolgsfaktor empfehlen die Autoren, die Geflüchteten möglichst früh Arbeitserfahrung im Aufnahmeland sammeln zu lassen. So zeigen die Erfahrungen aus Skandinavien, dass Flüchtlinge dort neben dem Erlernen der Landessprache vor allem von Praktika und öffentlich geförderten Einstiegsjobs in der lokalen Wirtschaft profitieren. Die bestgemeinten Fördermaßnahmen helfen wenig, wenn sie Flüchtlinge im Klassenraum und damit vom Arbeitsmarkt fernhalten. Sinnvoll seien deshalb flexible Programme, die den Berufseinstieg mit Sprachkursen und Weiterqualifizierung verbinden.

Allerdings fehlen belastbare Erkenntnisse über die Wirkung einzelner Maßnahmen, da bisher nur wenige Daten und empirische Studien zur Erwerbsintegration von Flüchtlingen vorliegen. Joscha Schwarzwälder schlussfolgert: "Um die Jobchancen von Geflüchteten langfristig zu verbessern, müssen die Staaten nicht nur mehr in die Integration investieren, sondern vor allem auch die Wirksamkeit dieser Investitionen besser überprüfen."