Eine verlassene Straße im ländlichen Bayern mit heruntergekommenen Häusern.

Auf der Kriechspur: Deutschland investiert zu wenig in Glasfaserausbau

Ruckelnde Internet-Videos, stockende Uploads, ländliche Gemeinden ohne Breitbandanschluss – all das ist digitale Realität in Deutschland. Beim Ausbau des Glasfasernetzes hinkt die Bundesrepublik im Vergleich zu anderen OECD-Staaten hinterher. Das zeigt unsere internationale Vergleichsstudie, die wir zusammen mit dem Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI) durchgeführt haben.

Fast alle OECD-Staaten investieren in Glasfasernetze und bauen Überholspuren für ihre Datenautobahnen. Deutschland hingegen fährt immer noch auf der Kriechspur. Warum hinken wir beim Ausbau des Glasfasernetzes so hinterher? Es liegt an zu niedrig gesteckten Zielen, einer fehlenden gesamtstaatlichen Strategie, unkoordinierten Förderprogrammen und fehlendem Mut, konsequent auf Glasfasertechnologien zu setzen. Zu diesem Urteil kommt unsere Studie, die wir zusammen mit dem Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI) durchgeführt haben. Dabei macht das Ausland vor, wie es besser gehen könnte. 

"Der aktuelle Stand der Glasfaser-Versorgung ist nicht gut, aber das eigentliche Drama ist, dass der Aufholprozess durch politische Weichenstellungen unzureichend unterstützt wird."

Brigitte Mohn, Vorstand der Bertelsmann Stiftung

Schnelles Internet ist längst ein Grundbedürfnis

Die meisten Länder investieren seit langem und systematisch in den Ausbau ihrer Glasfasernetze. Denn wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Fortschritt funktioniert nur mit einer leistungsfähigen Breitbandinfrastruktur. Zusätzlich ist schnelles Internet auch Grundlage für gesellschaftliche Teilhabe und heute längst ein Grundbedürfnis. In Estland profitieren bereits 73 Prozent, in Schweden 56, in Spanien 53 und in der Schweiz immerhin 27 Prozent der Haushalte von direkt verfügbaren Glasfaserverbindungen. In Deutschland sieht es dagegen mau aus: Nur 6,6 Prozent der Haushalte – im ländlichen Bereich sogar nur 1,4 Prozent – können in den Genuss von Glasfaser-Leitungen kommen.

Zwar hat sich die Versorgung im mittleren Bandbreitenbereich in den letzten Jahren deutlich verbessert, allerdings hapert es bei den zukunftssicheren direkten Glasfaseranschlüssen. Die Studie konzentriert sich auf direkte Glasfaseranschlüsse, weil nur diese langfristig alle Anforderungen an Bandbreite, Stabilität und Qualität der Verbindungen erfüllen können.

Zu niedrig angesetzte Ziele und fehlender Wettbewerb behindern die deutsche Entwicklung

Bei der Versorgung mit Glasfaseranschlüssen belegt Deutschland im OECD-Vergleich Platz 28 von 32. Das liegt auch daran, dass sich die Bundesrepublik die Ziele nicht hoch genug steckt. Die Europäische Union will bis 2020 jeden zweiten Verbraucher mit 100 Mbit/s schnellen Leitungen versorgen. Deutschland hat als Ziel lediglich 50 Mbit/s ausgegeben.

Da 50 Mbit/s im Idealfall auch mit VDSL Vectoring erreicht werden können, müssen die Netzbetreiber nicht vorrangig in Glasfasernetze investieren. Sie können bestehende Kupferleitungen weiter nutzen und müssen nur die Zuführungsstrecken aufrüsten. Ob es sich bei Vectoring um eine gerechtfertigte oder unnötige Brückentechnologie handelt, ist dabei umstritten. „Im Ergebnis führt die Genehmigung der Vectoring-Strategie aber zu einem deutschen Sonderweg und verhindert einen konsequenten Glasfaser-Ausbau“, bemängelt unsere Kommunal-Expertin Kirsten Witte.

Keyboard mit Return-taste, darauf die Schrift: Digitalisierung

Digitaler Wandel

Deutschland sollte sich europäische Nachbarn zum Vorbild nehmen

Ausländische Beispiele zeigen, wie es besser geht: In Estland und Schweden kümmern sich kommunale Versorger um den Glasfaseranschluss ihrer Bürger. Dabei übertrugen die Länder den Gedanken einer Grundversorgung, ähnlich wie bei Energie und Wasser, auf den Breitbandanschluss. Die Schweiz hat Runde Tische eingerichtet, an denen alle Beteiligten unter staatlicher Moderation den Ausbau der Glasfasernetze koordinieren. Vielfach bauten die Länder die Glasfasernetze nach dem Open-Access-Network-Ansatz auf. Das heißt, dass Kommunen das Netz aufbauen und es dann verschiedene Anbieter gegen Entgelt nutzen. Weil so kein Druck aufkommt, kurzfristigen Profite zu erwirtschaften, entsteht Wettbewerb auf der Dienste-Ebene. Auf der Infrastrukturebene kann der Staat dagegen langfristig planen.

Staat muss Breitbandausbau stärker in die Hand nehmen

Welche Baustellen sollte Deutschland angehen? Die Forscher des Karlsruher Fraunhofer ISI empfehlen: Neben höher gesteckten nationalen Zielen sollte der Staat den aktuellen Ausbau besser koordinieren. Er müsse alle Telekommunikationsdienstleister und Netzbetreiber an einen Tisch bringen. Ziel müsse es sein, Doppelverlegungen zu vermeiden und alle Regionen mit Glasfaser zu erschließen – auch die ländlichen Gebiete.

Eine große Chance sehen die Autoren der Studie auch darin, Länder und Kommunen enger einzubinden. Außerdem könnten städtische Versorgungsbetriebe den Ausbau der Netze vorantreiben. "Allein schon die lokale Wirtschaftsförderung müsste daran ein herausragendes Interesse haben: Denn schnelles Internet ist für Firmen und Bürger ein entscheidender Standortfaktor", sagt Bernd Beckert, Koordinator der Studie beim Fraunhofer ISI.

Die gesamte Studie mit allen Ergebnissen finden Sie hier.