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Musikalische Aktivität Jugendlicher hängt wesentlich von Bildung und Einkommen der Eltern ab

Ein Instrument lernen, in einer Band spielen oder im Chor singen – das bleibt manchem Jugendlichen in Deutschland verwehrt. Die soziale Schere geht auch beim Thema Musik weit auseinander. Je niedriger der Bildungsstatus und das Einkommen der Eltern, desto unwahrscheinlicher ist es, dass ein junger Mensch Musik macht.

In der Musikschule Klavier, Trompete oder Klarinette lernen, in einem Chor das eigene Gesangstalent testen, mit einer Bigband auf Veranstaltungen im In- und Ausland auftreten – für so manchen Jugendlichen hierzulande ein Wunschtraum. Denn: Die soziale Ungleichheit unseres Bildungssystems setzt sich auch im Musikbereich fort. Ob junge Menschen Musik machen können, hängt entscheidend von Bildung und Einkommen der Eltern ab. Besonders Jugendliche aus einkommensschwachen Haushalten, mit niedrigem Bildungsstatus und Migrationshintergrund schauen oft in die Röhre. Das zeigt unsere neue Studie, die in Kooperation mit dem Deutschen Musikrat entstand. Sie stützt sich auf umfangreiche Interviews unter Jugendlichen im Alter von 17 Jahren.

Ein Drittel der Jugendlichen ist musikalisch aktiv – Tendenz steigend

Rund ein Viertel der 17-jährigen macht Musik - etwas mehr als die Hälfte hauptsächlich Rock-, Pop-, Hip-Hop- und Technomusik, 27 Prozent klassische Musik und 20 Prozent Unterhaltungs- und Volksmusik. Der Langzeittrend zwischen 2001 und 2015 zeigt außerdem: Immer mehr Jugendliche singen oder spielen ein Instrument. Waren zwischen 2001 und 2015 nur 19 Prozent musikalisch aktiv, so waren es 2010 bereits 28 und 2015 schon 29 Prozent. Doch trotz dieses Aufwärtstrends bleibt die soziale Schere in der musikalischen Bildung weiter erhalten.

Ob Jugendliche Musik machen, hängt erheblich vom Bildungsgrad und den finanziellen Möglichkeiten ihrer Eltern ab

Ob junge Menschen Musik machen, hängt entscheidend vom Bildungslevel ihrer Eltern und deren finanziellen Möglichkeiten ab. Hat beispielsweise der Vater Abitur, verdoppelt sich die Wahrscheinlichkeit, dass Tochter oder Sohn Musik machen. Und während 33 Prozent der Jugendlichen aus einkommensstärkeren Haushalten (über 30.000 Euro Netto im Jahr) bezahlten Gesangs- oder Instrument-Unterricht erhalten, nehmen nur 8 Prozent ihrer Altersgenossen aus Haushalten mit niedrigem Einkommen (unter 15.000 Euro Netto im Jahr) solche Angebote wahr.

"Gemeinsames Singen und Musizieren fördert Werte wie Gemeinschaft, Zusammengehörigkeitsgefühl und Toleranz. Musik ist damit ein wichtiger Teil der Persönlichkeitsentwicklung von Kindern und Jugendlichen. Daher sollte es nicht vom Bildungsstatus oder dem Einkommen der Eltern abhängen, ob ein junger Mensch ein Instrument spielt oder im Chor singt."

Liz Mohn, stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Bertelsmann Stiftung

Auch die besuchte Schulform beeinflusst, ob Jugendliche musikalisch aktiv sind oder nicht: Bei Jugendlichen, die nicht aufs Gymnasium gehen, ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie Musik machen, um 50 Prozent geringer als bei Gymnasiasten. Gymnasiasten starten im Vergleich zu anderen Schülern als Kind im Schnitt früher mit Musik (8 Jahre zu 10 Jahre), engagieren sich häufiger im Chor und Orchester der Schule (33 zu 16 Prozent) und erhalten häufiger bezahlten Musikunterricht (28 zu 10 Prozent).

Kommunen müssen die Möglichkeit haben, Fördermittel für benachteiligte Jugendliche flexibel und bedarfsgerecht zu verteilen

Was sollte getan werden, damit mehr Jugendliche aus Familien mit niedrigem Bildungsstatus und geringem Einkommen ein Instrument lernen oder Gesangsunterricht nehmen können? Allein mehr Förderprogramme reichen nicht aus. Es braucht neue Ideen, die stärker als bisher benachteiligte Jugendliche ansprechen. Ganztagsschulen aller Schulformen bieten dazu besonders gute Möglichkeiten.

Eine Reform des Bildungs- und Teilhabepakets des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales ist notwendig. Damit auch Jugendliche aus einkommensschwachen Haushalten gleichermaßen Angebote der musikalischen Bildung nutzen können, sollten beispielsweise Musikschulen und Musikvereine gezielt gestärkt werden. So könnten sie ihre Angebote dort durchführen, wo die Jugendlichen bereits sind, beispielsweise in Kita oder Ganztagsschule, und das ohne Bürokratie, Sprachbarrieren und das Risiko, dass die jungen Menschen vorverurteilt werden.

Dass immer mehr Jugendliche in Deutschland Musik machen, zeige, dass handgemachte Musik bei bei Kindern und Jugendlichen Trumpf sei, unterstreicht Prof. Christian Höppner, Generalsekretär des Deutschen Musikrats. Schule und Musikschule müssten gestärkt werden, die soziale Schere zu Gunsten bildungsbenachteiligter Kinder zu schließen.

Die komplette Studie finden Sie hier. Eine Zusammenfassung gibt's hier.

Tabellen und Grafiken zu den Ergebnissen der Studie haben wir in einem Chartbook für Sie zusammengestellt.