Eine Gruppe junger Leute läuft fröhlich mit einer EU-Flagge durch München.

Europäer sehen EU als Schutzschirm in Zeiten der Globalisierung

Mit Globalisierungs- und EU-Kritik mobilisieren rechtskonservative Parteien europaweit Wählerstimmen. In der Mitte streiten sich die Parteien darum, wie sie auf diese ablehnende Politik reagieren sollen. Was denken Europäer über die Globalisierung? Und welche Rolle sollte die EU dabei einnehmen? Das zeigt die aktuelle Ausgabe der "eupinions".

Die Globalisierung stellt viele Europäer vor neue Herausforderungen – trotzdem ist für viele von ihnen eine Politik der Abschottung und des Nationalismus keine geeignete Antwort darauf. Denn obwohl fast die Hälfte der Europäer sich von der Globalisierung bedroht fühlt, sehen sie die EU mehrheitlich als Teil der Lösung und nicht des Problems. Dabei erwarten sie, dass sich europäische Politik vor allem um die Sicherheit und Migration kümmert. Wirtschaftliche Fragen und Fragen der sozialen Gerechtigkeit spielen – unabhängig von der Landeszugehörigkeit und der Parteiaffinität – eine geringere Rolle.

Auffallend ist: Während eine breite Mehrheit der Anhänger von Mitte-rechts bis zu Links-Parteien sich wünscht, dass die europäischen Staaten enger zusammenarbeiten, bröckelt der EU-Enthusiasmus teilweise bei Anhängern des bürgerlich-konservativen Lagers (FDP in Deutschland, Les Republicains in Frankreich) – das zeigen die "eupinions", mit denen wir regelmäßig EU-Bürger zu politischen und gesellschaftlichen Themen befragen.

"Europa im Jahr 2017 ist parteiübergreifend als Quelle von Stabilität, Wohlstand und Frieden akzeptiert. Das ist ein Erfolg Europas," kommentiert unser Vorstandsvorsitzender Aart De Geus die Ergebnisse. 

"Stimmen, die eine Zukunft im nationalen Gegeneinander statt internationalem Miteinander versprechen, müssen wir mit Überzeugung, Fakten und offenen Diskussionen begegnen. Dafür ist auch politische Führungsstärke gefragt."

Aart De Geus, Vorstandsvorsitzender der Bertelsmann Stiftung

Ob für oder gegen Globalisierung: Eine Mehrheit sieht Europa als Teil der Lösung

Wenn es darum geht, wie die Europäer zur Globalisierung stehen, klafft zwischen der allgemeinen und der persönlichen Wahrnehmung eine Lücke. Während fast die Hälfte (44 Prozent) der EU-Bürger die Globalisierung als Bedrohung empfindet, freuen sie sich gleichzeitig mehrheitlich über positive Aspekte der Globalisierung im eigenen Umfeld, wie z.B. günstigere Waren und Dienstleistungen. 

In Deutschland sind die EU-Unterstützer über die meisten Parteigrenzen hinweg fast überall klar in der Mehrheit. Allerdings fällt auf, dass die Anhänger der FDP europapolitisch nach rechts gerückt sind: Die meisten Befürworter einer stärkeren EU-Integration finden sich unter den SPD-Anhängern (66 Prozent), gefolgt von den Grünen (65 Prozent), der CDU/CSU (63 Prozent) und der Linken (62 Prozent). Bei der FDP scheint das Europa-Bekenntnis dagegen zu wackeln: 49 Prozent ihrer Anhänger sind für mehr europäische Integration. Das ist der schlechteste Wert nach der AfD, bei deren Anhängern sich 59 Prozent gegen mehr Integration aussprechen.

Fast alle Parteianhänger sind sich einig: Sie sprechen sich für mehr EU-Integration aus. Nur FDP- und AFD-Anhänger sind mehrheitlich anderer Meinung.

Europaweiter Riss zwischen den Rechtsaußen und allen anderen Parteien

In den anderen EU-Staaten zeichnet sich ein ähnliches Bild: In Frankreich sind allein die Anhänger des rechtskonservativen Front National (64 Prozent) gegen mehr EU-Integration. In Polen sind deutlich EU-ablehnende Sichtweisen nur bei der rechtsnationalen Partei Kukiz’15 (54 Prozent) in der Mehrheit.

In Spanien hingegen hat die EU quer durch alle Parteilager einen ausgezeichneten Ruf: Der niedrigste Zustimmungswert findet sich bei den spanischen Sozialisten: Hier wünschen sich aber immer noch 71 Prozent der Anhänger mehr EU-Integration.

"Viele Unterstützer linker Parteien sehen die Globalisierung als Bedrohung, unterstützen aber eine Weiterentwicklung der EU. Für die Rechten ist Europa hingegen nicht Teil der Lösung, sondern das Problem. Deshalb lehnen sie europaweit konsequent eine verstärkte Integration ab."

Isabell Hoffmann, Studienautorin und Europaexpertin der Bertelsmann Stiftung

Terrorismus und Migration sind für Europäer die drängendsten Probleme

Befragt nach den größten Herausforderungen für Europas Zukunft, zeigt sich unter den Europäern ein klares Bild: Terrorismus und internationale Migration sind für die Befragten die größten Baustellen. Ein Viertel der Europäer gibt an, dass der Kampf gegen den Terrorismus die größte Priorität der EU haben sollte. Noch jeder fünfte Europäer gibt als wichtigste Aufgabe die bessere Steuerung von Migration an. Wachstum (6 Prozent) oder Ungleichheit (6 Prozent) stehen für die Europäer hingegen nicht ganz oben auf der To-do-Liste.