Kinder klettern auf einem Klettergerüst

Chancen guten Ganztags für Kinder im Grundschulalter: menschenrechtliche Perspektiven

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Kinder und Jugendliche sind Träger aller Grund- und Menschenrechte – dieser Grundsatz gilt auch in der Schule und in außerschulischen Betreuungseinrichtungen. Gegenstand dieses Gutachtens ist der menschenrechtliche Rahmen für die Ausgestaltung des Ganztagsbetriebs für Kinder im Grundschulalter. Die Darstellung konzentriert sich auf das zentrale Menschenrechtsdokument, das Kinder betrifft: die Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen (KRK). Im Gutachten wird ausgelotet, welche völkerrechtlichen Vorgaben in Deutschland bei der Ausgestaltung der Ganztagsgrundschule gelten. Die Schule ist aus mehreren Gründen ein zentraler Bereich für die Verwirklichung von Kinderrechten: Der Staat ist einerseits verpflichtet, die Rechte von Kindern in der Schule zu achten, darf sie also nicht durch eigenes Handeln bzw. das seiner Bediensteten verletzen. Zum anderen hat der Staat in der Schule nicht nur die Pflicht, sondern auch die Chance, Kindern zu ihrem Recht zu verhelfen, also die Bedingungen dafür zu schaffen, dass Kinder ihre Menschenrechte umfassend und gleichberechtigt genießen können.

Die Grund- und Menschenrechte gelten in der Schule unabhängig davon, ob sie als Halbtags- oder Ganztagsangebot ausgestaltet ist. Mit der beabsichtigten Einführung eines verbindlichen Anspruchs auf Ganztagsbetreuung für Kinder im Grundschulalter stellt sich jedoch schon angesichts der schieren Lebenszeit, die Kinder dort verbringen, die umso dringendere Frage, wie Schule als Lebensraum, als Teil der Infrastruktur kindlicher Lebenswelten kinderrechtskonform ausgestaltet werden kann.

Das Gutachten beginnt mit einigen allgemeinen Bemerkungen zu der Bedeutung völkerrechtlicher Menschenrechtskonventionen für das innerstaatliche Recht. Sodann werden die vier Grundprinzipien der Kinderrechtskonvention vorgestellt, die für den menschenrechtlichen Status des Kindes fundamental sind, um anschließend auf einige konkrete Rechte einzugehen, die relevant für die Ausgestaltung der Ganztagsgrundschule sind.

Zusatzinformationen

Zu Hintergrund und Zielsetzung des Rechtsgutachtens

Die Große Koalition hat in ihrem Koalitionsvertrag vom 12.03.2018 die Einführung eines Rechtsanspruchs auf einen Ganztagsplatz für Kinder im Grundschulalter ab dem Jahr 2025 angekündigt. Dieser Rechtsanspruch soll im Sozialgesetzbuch VIII verankert werden. Das in der laufenden Legislaturperiode aufgelegte Investitionspaket des Bundes in Höhe von 2 Mrd. EUR zur Förderung des Ausbaus von Betreuungsplätzen für Grundschulkinder wurde durch das verabschiedete Ganztagsfinanzierungsgesetz bis 2028 gesichert. Im Rahmen des Corona-Konjunkturpakets wurde der Umfang der Investitionsmittel um weitere 1,5 Mrd. EUR erhöht.

Flankierend zu diesem Gesetzesvorhaben haben Arbeiterwohlfahrt Bundesverband, Bertelsmann Stiftung, Robert Bosch Stiftung und Stiftung Mercator das Arbeitsbündnis „Rechtsanspruch guter Ganztag“ gegründet und eine Expert:innenrunde initiiert. Expertinnen und Experten aus Politik, Verwaltung und Verbänden arbeiten seit Herbst 2018 in einem vertraulichen Rahmen auf Workshops zusammen, um maßgebliche offene Fragen, die für eine qualitätsvolle Umsetzung des Rechtsanspruchs auf einen Ganztagsplatz beantwortet werden müssen, zu identifizieren. Mit der Einrichtung dieses Expert:innenkreises wollen die vier Organisationen einen Beitrag dazu leisten,
dass das den guten Ganztagsangeboten innewohnende Potenzial für mehr Chancengerechtigkeit und damit für bessere Entwicklungs- und Teilhabechancen von Kindern ausgeschöpft werden kann.

Das vorliegende Rechtsgutachten wurde von Friederike Wapler im Auftrag der Bertelsmann Stiftung für den Workshop der Expert:innenrunde im September 2020 erstellt. Es lotet aus, welche völkerrechtlichen Aspekte für die Ausgestaltung ganztägiger Bildungs- und Betreuungsangebote für Kinder im Grundschulalter von Bedeutung sind und welche Pflichten und Chancen für den Staat bestehen, die Kinderrechte systematisch im Ganztag zu verankern.

Das Gutachten ergänzt die im Kontext des Arbeitsbündnisses ebenfalls erstellten Rechtsgutachten von Johannes Münder („Rechtliche Möglichkeiten zur Sicherung der Qualität bei der Förderung von Grundschulkindern“; 2018) und Michael Wrase („Einheitliche Qualitätskriterien für den Ganztag im Grundschulalter“; 2019) in dem gemeinsamen Anliegen, Anregungen für die gesetzliche Regelung von Qualitätsstandards für einen guten Ganztag zu geben.