Kosten-Nutzen-Simulation: Lohnt sich die duale Ausbildung in Italien?

Italien liegt aktuell auf Platz 3 hinter Griechenland und Spanien. Allerdings geht es hier nicht um Sport oder das beliebteste Reiseziel, sondern um ein ernstes Thema: die Jugendarbeitslosenquote, die in Italien im letzten Jahr bei 31,6 % lag. Kein Wunder also, dass in Italien immer wieder darüber diskutiert wird, wie die Qualität der beruflichen Bildung verbessert werden kann, um die Jugendarbeitslosigkeit zu senken und Qualifikationsdefizite („skills mismatch“) zu vermeiden. Als Vorbild dient hier oftmals das deutsche oder schweizerische System der dualen Ausbildung. Sie gilt international als Erfolgsgarant für eine niedrige Jugendarbeitslosigkeit und ausreichenden Fachkräftenachwuchs. Denn das Lernen im Betrieb, kombiniert mit dem theoretischen Lernen in der Berufsschule, ermöglicht es den Auszubildenden, während der Ausbildung sowohl technische Fähigkeiten als auch Berufserfahrung zu erwerben, was wiederum den Übergang in den Arbeitsmarkt erleichtert.

Trotz des großen Interesses der Politik an der Lehrlingsausbildung stehen Reformen oft vor einem großen Hindernis: der Zurückhaltung der Unternehmen in die Lehrlingsausbildung zu investieren. Deshalb versuchen wir mit unserer Studie „Apprenticeship in Italy – A cost-effective model for firms?“ Unternehmen zuverlässige Informationen darüber zur Verfügung zu stellen, unter welchen Umständen duale Ausbildungsmodelle für sie gewinnbringend sind.

In der Studie werden daher Kosten-Nutzen-Simulationen berechnet, um Unternehmen wirtschaftliche Argumente für das Angebot von Ausbildungsplätzen zu liefern und eine differenzierte Diskussion über die Einführung der Lehrlingsausbildung in Italien anzustoßen. Dabei wird in der Studie analysiert, was der Nutzen wäre, wenn man in Italien ein Lehrstellenmodell nach Vorbild des Schweizer Modells einführen würde. Denn die Schweiz übertrifft nicht nur die meisten EU-Länder in mehreren kompetenzbasierten Indikatoren, sondern dort liegt auch die Jugendarbeitslosenquote nur bei ungefähr 5 %, also deutlich tiefer als in Italien.

Obwohl sich das derzeitige Berufsbildungssystem in Italien von den in der Studie vorgeschlagenen Modellen unterscheidet, gibt die Studie wichtige Hinweise für die Lehrlingspolitik in Italien:

  • Die Rekrutierung qualifizierter Fachkräfte vom externen Arbeitsmarkt ist für italienische Unternehmen sehr teuer. Wenn stattdessen Lehrlinge im Anschluss an ihre Ausbildung als Fachkräfte im Betrieb gehalten werden können, würde sich die Investition der Unternehmen in deren duale Ausbildung bereits lohnen. Denn die entstehenden Ausbildungskosten könnten durch den Wegfall der Rekrutierungskosten gedeckt werden.
  • Die Qualität der Ausbildungsprogramme in Italien ist entscheidend, um talentierte Bewerber für die duale Ausbildung zu gewinnen und die Abbrecherquoten in der Ausbildung zu senken. Für Unternehmen stellen Abbrecher ein Risiko dar, weil es die Nettokosten der Ausbildung erhöht. Dies wiederum senkt die Ausbildungsbereitschaft von Unternehmen. Wenn der Ausbildungsbewerber jedoch nach der Ausbildung aufgrund der erworbenen Fähigkeiten einen höheren Lohn erwarten kann, wird er eher bereit sein, den vergleichsweise niedrigeren Lohn während der Ausbildung in Kauf zu nehmen.
  • Die Chancen, dass das Kosten-Nutzen-Verhältnis aus Sicht der italienischen Betriebe ausgeglichen ist, sind für dreijährige Programme höher als für kürzere. Jedoch gilt das nur für das Modell, in dem die Löhne der Auszubildenden deutlich unter denen der Facharbeitergehälter liegen.

Insgesamt zeichnet sich ab, dass es in der italienischen Gesellschaft ein Umdenken braucht: Statt Auszubildende als billige Arbeitskräfte zu betrachten und für einfache Arbeiten einzusetzen, muss diesen eine qualitativ hochwertige Ausbildung vermittelt werden. Nur dann lassen sich geringere Ausbildungslöhne rechtfertigen, sodass sich das Kosten-Nutzen-Verhältnis für die Betriebe verbessert. Denn finanzielle Einbußen auf Seiten der Azubis sind nur dann akzeptabel, wenn der Auszubildende in Italien nicht eine schlecht bezahlte Hilfskraft, sondern ein gut bezahlter Lernender ist.

Für England und Spanien haben wir ebenfalls Kosten-Nutzen-Simulationen erstellen lassen. Diese sind hier zu finden:

Apprenticeship training in England – a cost-effective model for firms?

Apprenticeship training in Spain – a cost-effective model for firms?



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