Ein Gärtner leitet einen Auszubildenden beim Anlegen eines Beetes in einem Gewächshaus an.

Kleinstbetriebe brauchen mehr Unterstützung bei der Ausbildung

Schon vor der Corona-Krise sanken die Ausbildungszahlen. Besonders Kleinstbetriebe ziehen sich zunehmend aus der Ausbildung zurück oder können ihre Ausbildungsplätze nicht besetzen. Bestehende Unterstützungsmaßnahmen sind zudem vielerorts unbekannt. Mit Blick auf die Zeit nach Corona sollte das Ausbildungssystem gestärkt werden – sonst droht ein Fachkräftemangel.

Der Rückzug aus der dualen Ausbildung begann für viele Betriebe schon lange vor der Corona-Krise. Während die Zahl der Beschäftigten in Deutschland zwischen 2007 und 2018 um 21 Prozent stieg, sank die Zahl der Auszubildenden im gleichen Zeitraum um neun Prozent. In einer Betriebsbefragung von uns und dem Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) aus dem vergangenen Jahr wird deutlich, dass insbesondere Kleinstbetriebe immer häufiger nicht mehr ausbilden.

Dieser Trend hat sich auch in der jüngeren Vergangenheit fortgesetzt: 29 Prozent der befragten Kleinst- und Kleinbetriebe mit bis zu 19 Beschäftigten bilden seit 2016 weniger oder gar nicht mehr aus. Bei den Betrieben zwischen 20 und 199 Beschäftigten geben dies nur 23 Prozent, bei den Großbetrieben mit mehr als 200 Beschäftigten 24 Prozent an.

Unser Vorstand Jörg Dräger blickt mit Sorge auf den langfristigen Rückgang der dualen Ausbildung: "Von der dualen Ausbildung profitieren Unternehmen und Beschäftigte gleichermaßen. Ausbildungsbetriebe sorgen dem Fachkräftemangel vor. Junge Menschen finden über eine erfolgreiche Ausbildung ihren Platz in der Gesellschaft." Dräger betont, dass es insbesondere die Kleinstbetriebe sind, die jungen Menschen ohne Schulabschluss oder mit schlechten schulischen Leistungen eine Chance geben. Für ihn ist deshalb klar:

Kleinstbetriebe bei der Ausbildung zu unterstützen, ist gerade in der Corona-Krise eine Frage der sozialen Gerechtigkeit.

Jörg Dräger, Vorstand der Bertelsmann Stiftung

Unterstützungsmaßnahmen kommen zu selten bei den bedürftigen Betrieben an

In der Befragung wird zudem deutlich, dass die zahlreichen staatlichen Unterstützungsmaßnahmen häufig unbekannt sind oder nicht bei jenen Betrieben ankommen, die am stärksten davon profitieren würden. So kennen beispielsweise rund 70 Prozent aller Ausbildungsbetriebe das von der Bundesagentur für Arbeit finanzierte Unterstützungsangebot "Assistierte Ausbildung" nicht und rund 40 Prozent ist die Option nicht bekannt, gemeinsam mit anderen Betrieben im Verbund auszubilden. Betrieben, die noch nicht ausbilden, es aber künftig wollen, sind Unterstützungsmaßnahmen noch weniger bekannt. Besonders auffällig ist, dass gerade die Kleinstbetriebe über wenig Wissen hinsichtlich der Unterstützungsangebote verfügen.  

Wer indes die Maßnahmen nutzt, zeigt sich durchaus zufrieden. Mehr als 80 Prozent aller Betriebe, die Unterstützung von außen bei der Gestaltung der Ausbildung nutzen, geben an, mit den Angeboten zufrieden zu sein. Je größer der Betrieb, desto größer auch die Zufriedenheit.

Mit Blick auf die Kluft zwischen bestehenden Angeboten und der Bekanntheit bei den Betrieben sagt Prof. Dr. Friedrich Hubert Esser, Präsident des BIBB: "Es gibt für ausbildende Betriebe vielfältige Unterstützungsangebote, die sich in der Vergangenheit bewährt haben. Wir müssen diese Angebote aber noch besser bekannt machen und deutlich mehr Betriebe für die Nutzung gewinnen. Die Corona-Krise zeigt uns, dass wir mit unseren Maßnahmen die Unternehmen noch besser unterstützen müssen."

Nach der Krise ist vor dem Fachkräftemangel – Weichen heute schon stellen

Tatsächlich gaben 63 Prozent aller Betriebe an, dass sie sich bei der Suche nach Auszubildenden mehr Unterstützung wünschen. Denn viele Betriebe konnten im Ausbildungsjahr 2018/19 nicht alle angebotenen Ausbildungsplätze besetzen. Von den Kleinstbetrieben betraf dies 59 Prozent der Betriebe mit Ausbildungsangebot. Größere Betriebe haben zwar weniger Probleme, ihre Ausbildungsplätze zu besetzen, aber auch von den Großbetrieben waren noch 27 Prozent betroffen. Dass Stellen unbesetzt blieben, erklärten die befragten Betriebe größtenteils mit Rekrutierungsschwierigkeiten.

Zum Zeitpunkt der Erhebung im vergangenen Jahr gab ein Drittel der befragten Betriebe an, künftig mehr ausbilden zu wollen. Auch wenn sich die Sicht auf die Ausbildungsbereitschaft der Betriebe vor dem Hintergrund der Corona-Krise geändert hat und derzeit der Erhalt von Arbeitsplätzen im Zentrum steht, gilt es, für die Zeit nach der Rezession vorzusorgen. Nur so kann man einen erneuten Fachkräftemangel verhindern. Esser macht deshalb klar: "Nach der Krise ist vor dem Fachkräftemangel. Wir müssen die Weichen für mehr Ausbildung schon heute stellen."