„Nach PISA-Schock jetzt ASCOT-Schock?“

Mit der Überschrift zitiere ich den Journalisten Lothar Guckeisen. Er moderierte in der vorletzten Woche eine Fachtagung in Potsdam, bei der die Ergebnisse der vom BMBF geförderten Inititative „ASCOT“ vorgestellt wurden. Seine Frage stellte er beim letzten Programmpunkt der Tagung, und so will ich auch in diesem Blog gegen Ende erklären, worauf sie sich bezieht.

Überschrieben war die Veranstaltung mit „Duale Ausbildung auf dem Prüfstand: Leistungs- und Kompetenzmessung in der beruflichen Bildung“. Hinter ASCOT verbirgt sich „technology-based assessment of skills and competences in vocational education and training”. Ich bin deshalb nach Potsdam gefahren, weil wir uns im Team „Weiterbildung für alle“ auch mit Kompetenzerfassung und –anerkennung beschäftigen. Die Frage in meinem Reisegepäck war: für welche Zielgruppen sind die ASCOT-Methoden und Instrumente noch nutzbar?

Zunächst hier einige ASCOT-Basisinformationen:

  • Ziel: valide Messung beruflicher Kompetenzen mit Hilfe technologiebasierter Verfahren
  • Berufe: Kfz-Mechatroniker, Elektroniker für Automatisierungstechnik, Industriekaufmann, Altenpflege, Medizinischer Fachangestellter, Speditionskaufmann
  • Zielgruppe: Jugendliche am Ende der Ausbildung
  • Kooperation von Wissenschaft und Praxis als wesentlicher Bestandteil der Projektarbeit
  • Begleitung der Initiative durch einen nationalen Fachbeirat (Sozialpartner, Verbände und Ländervertreter) sowie wissenschaftliche Begleitgruppe

Für 6 Berufe wurden Kompetenzmodelle und entsprechende Messinstrumente entwickelt, mit Hilfe derer die Wissenschaftler valide Aussagen über die in Ausbildungen vermittelten berufsspezifischen Handlungskompetenzen machen können. Die Modelle der Kompetenzniveaus, die von den Auszubildenden erreicht werden können, beziehen sich auf verschiedene Tätigkeitsbereiche und sind nach PISA-Standards entwickelt. ASCOT könnte also für die Kompetenzmessung der beruflichen Bildung in Deutschland das werden, was PISA im allgemeinbildenden, schulischen Bereich ist. Die Wissenschaftler haben echte Grundlagenforschung betrieben, da es für die Kompetenzerfassung im berufsbildenden Bereich bisher derartiges kaum gegeben hat. Sie haben sehr weitreichende Methoden und Instrumente entwickelt.

Das gerade in Deutschland ein solches Projekt in Angriff genommen wurde, verwundert nicht, hat doch beruflich-betriebliche Bildung einen vergleichsweise hohen Stellenwert neben der hoch-/ schulischen Bildung. Unser duales Ausbildungssystem und seine formalen Qualifikationen genießen weit über die europäischen Grenzen hinaus einen guten Ruf.

ASCOT setzt bei den tatsächlich notwendigen beruflichen Handlungskompetenzen an und misst sie mit Hilfe von Simulationen (computerbasiert, videogestützt) komplexer, sehr realitätsnaher Arbeitssituationen. Vorab wurden diese Kompetenzen in Arbeitsplatzbeobachtungen erfasst. Rund 12.000 Auszubildenden waren in diversen Tests des Verbundprojekts eingebunden.

Bei der Präsentation in Potsdam waren sich Dr. Josef Amann, Bereichsleiter Berufsbildung – IHK München und Oberbayern – und Christian Reher, Geschäftsführer der Innung des KFZ-Gewerbes, Region Stuttgart einig: ASCOT schafft es, die berufliche Handlungsfähigkeit der Teilnehmer zu erfassen und hilft zudem in den Bereichen

  • Prüfungswesen
    – verschiedene Teile könnten künftig IT-basiert laufen, damit spart     man Zeit und Material
    – die ehrenamtlich Prüfenden werden entlastet
  • Ausbildungsqualität
    – durch neue Medien werden auch neue didaktische Impulse gesetzt
  • Ausbildungsordnungen
    – in Neuordnungsverfahren könnte auf Vermittlung der in den Tests gezeigten Handlungskompetenzen abgezielt werden
  • Förderung der Azubis
    – die Module können auch zur Weiterbildung eingesetzt werden

ASCOT versucht mit seinen Instrumenten die Qualität der Prüfungspraxis näher an die tatsächlich benötigten Handlungskompetenzen zu bringen. Die traditionellen Prüfungen entsprechen den Inhalten, die im Curriculum enthalten sind. Die Curricula sind allerdings breiter angelegt und vermitteln mehr Kompetenzen, als in so manchem Berufsbild gebraucht wird. Damit genügen sie dem Anspruch, dass Ausbildung auch allgemeinbildend wirken soll, was in der traditionellen Gesellenprüfung auch getestet wird.

Auch wenn beide Prüfungen unterschiedliche Schwerpunkte setzen, sind die ASCOT-Methoden und Prüfungsinstrumente gut für die Gesellenprüfung geeignet. Die ASCOT-Wissenschaftler haben beide Prüfungsverfahren verglichen und eine hohe Korrelation der Ergebnisse festgestellt. ASCOT hat auch gezeigt, dass die genutzten neuen Testverfahren praktikabel sind, da sie in vertretbaren Testzeiten auch bei großen Stichproben verlässliche und valide Ergebnisse hervorbrachten. Zusätzliche Beobachtungen zeigten, dass ASCOT unter gerechteren, faireren Bedingungen prüft. Durch sehr standardisierte Tests, die zu einem großen Teil IT-basiert funktionieren, werden Verzerrungen durch den Faktor „Mensch“ gering gehalten.

Worauf bezieht sich jetzt die Frage in der Überschrift? Warum „ASCOT-Schock“? Dazu das Beispiel aus dem Berufsfeld „Kfz-Mechatroniker“. Für einen Kfz-Mechatroniker ist die Kompetenz „Fehlerdiagnose“ die leistungskritischste. Denn nur wenn ein Fehler klar diagnostiziert wird, kann er auch behoben werden. Dahingehend wurden 600 Auszubildenden getestet. Die Ergebnisse der Hälfte der Auszubildenden waren im ASCOT-Kompetenzmodell auf Niveaustufe 1 oder darunter angesiedelt. Niveau 2 oder 3 wäre wünschenswert. 50% der Auszubildenden zeigen eine unterdurchschnittliche Leistung, wenn sie auf Niveaustufe 1 oder darunter sind. Da stellt sich dann die Frage, warum nur 5% der Azubis durch die traditionelle Prüfung fallen.

Auf dem Weg nach Potsdam hatte ich in meinem Reisegepäck die Frage „Für welche Zielgruppen sind die ASCOT-Methoden und Instrumente noch nutzbar?“. Zurück in die Stiftung kam ich mit einer anderen Frage: was bedeutet das zuletzt beschriebene Ergebnis für die Qualität der Ausbildung, der Prüfung oder für die Arbeitsleistung, die die Hälfte der Prüflinge als fertige Gesellen erbringen?

Bevor es der Fragen zu viele werden, liefere ich die Antwort auf die „Hinweg“-Frage in meinem nächsten Blog-Beitrag.

 



Kommentare

  1. / von Hans Joost

    „Dahingehend wurden 600 Auszubildenden getestet. Die Ergebnisse der Hälfte der Auszubildenden waren im ASCOT-Kompetenzmodell auf Niveaustufe 1 oder darunter angesiedelt. Niveau 2 oder 3 wäre wünschenswert. 50% der Auszubildenden zeigen eine unterdurchschnittliche Leistung, wenn sie auf Niveaustufe 1 oder darunter sind. Da stellt sich dann die Frage, warum nur 5% der Azubis durch die traditionelle Prüfung fallen“

    Das sind natürlich Zahlen, die bedenklich stimmen. Weil sie weisen auf zwei Sachen gleichzeitig hin: 1. Die Kompetenz der Azubis verringert sich im Laufe der Zeit. 2. Die Prüfungen werden „lascher“, weil ja trotzdem die meisten nicht durch die Prüfungen fallen.

    Das würde drittens bedeuten, dass sich bei den Firmen immer mehr fragwürdig mangelkompetente Leute bewerten und die Firmen quasi nur „das kleinste Übel“ nehmen müssen. (Jetzt wechsel ich aber mal den Standpunkt) Und trotzdem denke ich wegen der Möglichkeiten die man heute hat, dass man ohne Weiteres als superkompetent aussehen kann, da es zum Beispiel ganz leicht ist, mit Tools wie Bewerbungs Master ein professionelles Bewerbungsschreiben auf die Beine zu stellen. Ich bin ja sehr beeindruckt von solchen Vorlagenwerkzeugen: Man muss fast nur noch seine Daten eingeben ein schönes Design auswählen und dann kann man sich super präsentieren.

    Das heißt für die „Human Ressources Manager“ (so heißt der Personaler meines wissens heute): Man wird immer genauer hinsehen müssen, ob ein Bewerber für die Firma geeignet ist. Kein Wunder, dass immer mehr Bewerbungsschleifen vorgeschaltet werden mit 1. Gespräch, 2. Gespräch, „Schnupper Wochenende“ und Probearbeit usw. …

    Grüße Hans Joost

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